Contents
« Prev | 3) Errettung kann nicht vom Menschen erlangt… | Next » |
3) Errettung kann nicht vom Menschen erlangt werden
Der Mensch drängt von Natur dazu, sich selbst zu erlösen, und jedes System, das ihm diese Möglichkeit bietet, nimmt er freudig auf. Diesem Denken legt Paulus die Axt an, wenn er sagt: »Wenn ein Gesetz gegeben wäre mit der Kraft, das Leben zu spenden, dann käme in der Tat die Gerechtigkeit aus dem Gesetz« (Gal. 3,21). Jesus sagte zu seinen Jüngern: »So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was man euch aufgetragen hat, sagen: ›Unnütze Knechte sind wir, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.‹« (Lk 17,10)
Unsere eigene Gerechtigkeit ist aus der Sicht Gottes nichts als ein verschmutztes Kleid, sagt Jesaja — oder wie die King James Version es ausdrückt, ein verdreckter Fetzen. (Jes 64,4) Und wenn er sagt: »Auf, all ihr Dürstenden, kommt zum Wasser! Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst! Kommt, kauft ohne Geld und Bezahlung Wein und Milch!« — dann meint er die Mittellosen, die Hungrigen, die Durstigen. Sie sollen kommen und ohne alle Bezahlung, ohne Kosten das genießen, was vorbereitet ist, so, als ob sie dafür bezahlt hätten. Ohne Geld zu kaufen muss bedeuten, dass schon jemand anders dafür bezahlt hat. Je reifer unser Christenleben wird, desto weniger sind wir geneigt, uns irgendein Verdienst selbst zuzuschreiben; wir blicken vielmehr zurück in die vorweltliche Ewigkeit und sehen die ewige Absicht der göttlichen Liebe: sie allein ist der starke Anker unserer Errettung.
Ist die Erlösung aus Gnade, wie die Schrift so klar lehrt, dann kann sie nicht aus Werken sein, weder gegenwärtiger, noch vorhergesehener. Der Glaube selbst ist kein Verdienst, denn er ist eine Gabe Gottes. Gott bringt im Menschen das Licht des Geistes zum Leuchten, damit er glaubt: der Glaube ist nur der Akt des Nehmens dessen, was angeboten ist. Der Glaube bleibt so instrumentelle, nicht verdienstliche Ursache der Erlösung. Was Gott in uns liebt, ist nicht unser Verdienst, sondern seine eigene Gabe; diese seine unverdiente Gnade geht jedem lobenswerten Werk voraus. Die Gnade wird nicht nur zuerst erfleht, sondern sie ist es schon selbst, die uns beten macht — dass die Gnade andauere und vermehrt werde.
In der Apostelgeschichte finden wir den Anfang jeden Glaubens direkt an die Gnade geknüpft (Apg 18,27); nur diejenigen aber, die zum ewigen Leben bestimmt waren, glaubten (Apg 13,48), und es ist das Vorrecht Gottes allein ist es, das den Menschen zum Hören auf das Evangelium bringt (Apg 16,14). Der Glaube wurzelt in den Ratschlüssen der Ewigkeit — die (dem Glauben zugehörigen) Ereignisse in der Zeit sind nur deren Auswirkungen. Paul schreibt es der Gnade Gottes zu, wenn er sagt: »Wir sind sein Gebilde, in Christus Jesus zu guten Werken geschaffen, die Gott im voraus bereitet hat, dass wir sie erfüllen« (Eph 2,10). Die guten Werke sind also keineswegs der verdienstliche Grund, sondern immer die Früchte und Beweise der Erlösung.
Luther hatte das Gleiche im Sinn, wenn er sagt:
»Sie schreiben dem Willen zwar wenig zu, doch lehren sie uns, dass dieses Wenige ausreiche, um zur Gerechtigkeit und zur Gnade beizutragen. Auch beantworten sie die Frage: Warum rechtfertigt Gott den einen, überlässt den anderen dagegen seinem Schicksal? in keiner anderen Weise als mit dem freien Willen. Sie sagen: Weil der eine sich bemüht, der andere dagegen nicht; Gott belohnt das Streben und weist den anderen zurück, weil er sich nicht bemüht; wäre es nicht so, so wäre er ungerecht.«230230 Martin Luther, Vom Unfreien Willen.
Es heißt, Jeremy Taylor sei einmal mit einem Begleiter die Straßen Londons entlang spaziert, als er auf einen betrunkenen Mann stieß, der in der Gosse lag. Sein Begleiter machte eine abschätzige Bemerkung über den Betrunkenen. Jeremy Talyor blieb stehen und betrachtete ihn eine Zeitlang, dann sagte er: »Um Gottes Willen — da liegt Jeremy Taylor!« Ein solcher Geist, der Jeremy Taylor eignete, sollte jedem Christen eignen, der von seinen Sünden erlöst worden ist. Wiederholt wird hervorgehoben, dass Israels Exklusivität nicht auf sein Verdienst zurückzuführen ist, sondern einzig auf die gnädige Liebe Gottes, die sich auch von wiederholtem Abfall des Volkes nicht von Sünde und Rebellion aufhalten lässt.
Paulus sagt über jene, die ihre Errettung auf eigene Werke zurückführen wollen, sie »richten ihre eigene Gerechtigkeit auf und sind der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan«; sie gehören demnach nicht zur Gemeinde Christi. Er macht ganz klar, dass die »Gerechtigkeit Gottes« aus dem Glauben kommt: Der Eingang in den Himmel ist an das Verdienst Christi geknüpft. Der Grund dieses ganzen Systems ist, dass jene, die sich rühmen, sich einzig des Herrn rühmen sollen; niemand kann je Grund haben, in dieser Hinsicht gegenüber irgend jemand anders stolz zu sein. Die Erlösung ist zu einem unendlichen Preis erkauft worden, auch für Gott, und daher darf sie auch ganz nach Seinem Wohlgefallen und nach purer Gnade statthaben.
Der Dichter sagt:
»None of the ransomed ever knew, How deep were the waters crossed, Nor how dark was the night that the Lord passed through, To find the sheep that was lost.«231231 Nie hat ein Erlöster je erfasst, wie tief die Wasser gewesen noch wie dunkel die Nacht, die der Herr durchschritten, um das verlorene Schaf zu finden.
« Prev | 3) Errettung kann nicht vom Menschen erlangt… | Next » |