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3) Die Schäden der allgemeinen Moral
Der nicht wiedergeborene Mensch liebt seine Familie und kann ein guter Bürger sein. Er kann Millionen an ein Krankenhaus überweisen, aber einem Jünger, der im Auftrag Jesu handelt, kann er [aus dem Grund, weil er im Auftrag Jesu handelt] kein Glas Wasser reichen. Ein Trinker kann aus gesundheitlichen Gründen aufhören zu trinken, aus Liebe zu Gott jedoch kann er es nicht. All seine guten Taten oder Tugenden kranken daran, dass sie nicht aus dem richtigen Beweggrund geschehen — eben Gott zu verherrlichen. Dieser Schaden ist so umfassend, dass er das, was da noch an Gutem bleibt, im Schatten stehen lässt. Es ist egal, wie gut all diese Dinge vor uns selbst dastehen: solange wir sie nicht aus der Harmonie mit Gott heraus tun, sind sie geistlich nicht annehmbar. Darüber hinaus haben jene guten Werke der Ungläubigen keine stabile Grundlage, denn die Natur des Ungläubigen bleibt unverändert; ganz natürlicherweise wälzt sich die Sau nach der Schwemme wieder im Dreck, und so wird auch der Ungläubige früher oder später zu seinem unheiligen Lebenswandel zurückkehren. Das Wesen der Moral lässt die Werke aus ihr hervorgehen, nicht umgekehrt. Jemand kann Engels- und allerlei Menschensprachen beherrschen; wenn er das innerliche Prinzip der Gottesliebe nicht kennt, ist er wie ein klingendes Stück Metall, eine Zimbel, die irgendwer geschlagen hat. Er kann alle seine Habe den Armen geben oder seinen Körper verbrennen lassen — es bringt ihm ohne die Liebe Gottes alles gar nichts. Als Menschen wissen wir genau: Wenn uns einer unserer Feinde aus selbstsüchtigen Motiven heraus etwas Gutes tut, bekommt er unsere Liebe und Anerkennung nicht. Die Aussage der Schrift: »Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen« findet seine korrekte Anwendung darin, dass der Glaube erst die Grundlage aller anderen Tugenden ist; kommen sie nicht aus dieser Quelle, sind sie für Gott nicht annehmbar.
Jede gute Tat wird an der Norm, Gott zu lieben, gemessen. Diese Liebe gegenüber Gott ist die Seele aller anderen Tugenden und wird uns ausschließlich aus Gnaden zuteil. Augustinus leugnete nicht etwa die natürlichen Tugenden wie Besonnenheit, Redlichkeit, Edelmut, die die Menschen durchaus achten und als Verdienst werten. Doch da ist ein großer Unterschied: Hier muss eine Linie gezogen werden zwischen menschlicher Tugend und den speziellen christlichen Gnaden (Glaube, Liebe und Dankbarkeit gegenüber Gott usf.). Letztere allein sind »gut« im strikten Sinn des Wortes, und ihnen allein auch schreibt Gott Wert zu. Der Unterschied kann anhand eines sehr guten Beispiels gezeigt werden. Es stammt von W. D. Smith. Er sagt:
»Unter Piraten findet man viele Dinge, die an sich gut sind. Obgleich sie sich gegen die Gesetze der Regierung verschworen haben, haben sie ihre eigenen Gesetze und Regeln, die sie strikt einhalten. Unter ihnen finden sich Mut und Treue zusammen mit vielen anderen Dingen, die sie als Piraten auszeichnen. Sie mögen immer noch gewisse Gesetze der Regierung einhalten, aber das tun sie nicht deshalb, weil sie diese Gesetze als Gesetze der Regierung achten, sondern weil sie mit ihren eigenen Gesetzen zufällig übereinstimmen. Gebietet die Regierung, ehrlich zu sein, so können sie das sehr wohl auch untereinander. Sie teilen sich den Raub auf ehrliche Weise. Was aber die Regierung selbst anlangt und alle ihre Gesetze, so bleibt ihr ganzes Leben eine Unehrlichkeit. Nun ist es klar: Solange sie dieses Leben leben, können sie nicht erwarten, dass sie sich damit der Regierung als Bürger empfehlen können. Zuerst müssten sie ihre Rebellion aufgeben und der Regierung Loyalität schwören und um Gnade bitten. Auf diese Weise sind alle Menschen in ihrem natürlichen Zustand Gottes Rebellen, und Obgleich sie hie und da Gottes Gesetz entsprechen und sehr menschlich handeln, geschieht all das nicht aus den richtigen Motiven; sie handeln Gott und seinen Gesetzen nicht konform. Stattdessen haben sie ihre eigenen Gesetze aufgestellt, die ihnen das Höchste sind: Gesellschaft, die Achtung der Öffentlichkeit, Eigeninteresse, ihr Image oder andere weltlich-böse Motive. Von diesen Gesetzen werden sie regiert und beherrscht; Gott, dem sie eigentlich gehörten, haben sie vergessen, und wenn man gelegentlich seiner gedenkt, werden doch seine Ansprüche zurückgewiesen und sein Rat verschmäht; der Mensch lehnt den Gehorsam gegen Gott von ganzem Herzen ab.«
Es sollte klar geworden sein: Der Mensch, der in diesem Zustand bleibt, rebelliert gegen Gott und kann nichts tun, was ihn für Gott annehmbar machen könnte. Der erste Schritt wäre, seine Rebellion aufzugeben, seine Sünden zu bereuen, sich Gott zuzuwenden und um Vergebung und Versöhnung durch den Erlöser zu bitten. Doch genau das will er ja nicht, solange er nicht erst willig gemacht wird. Er liebt seine Sünden und will sie weiterhin ausüben, so lange, bis er ein neues Herz bekommt. Smith fährt fort:
»Die guten Taten Ungläubiger sind nicht sündig in sich selbst, sondern sie sind sündig, weil etwas daran fehlt. Es fehlt ihnen das Grundprinzip, das sie vor Gott als gut rechtfertigt. Am Beispiel der Piraten sieht man ja: Alles, was sie tun, ist gesetzeswidrig. Als Piraten sind ihre Seglereien, Ausbesserungsarbeiten, ihre Schiffsarbeiten und sogar ihre Mahlzeiten und Trinkgelage vor der Regierung nichts als Rebellion, denn alles, was sie damit tun, tun sie, damit sie weiterhin Piraterie betreiben können. All diese Dinge sind immer nur Teil ihrer Rebellion. Genauso verhält es sich mit den Sündern. Solange ihr Wesen nicht stimmt, ist in Gottes Augen alles beeinträchtigt, was sie tun, selbst die einfachsten täglichen Verrichtungen, denn die klare und unmissverständliche Stimme Gottes sagt: ›Stolze Augen und aufgeblasene Herzen, das ist die Leuchte der Gottlosen — doch es ist Sünde‹« (Spr 21,4).6565 Egbert W. Smith, What is Calvinism?, S. 125-127.
Unfähigkeit ist’s, was die Schrift meint, wenn sie sagt: »Denn die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen« (Röm 8,8). »Alles, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde« (Röm 14,34). »Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen« (Heb. 11,6). Sogar die guten Taten der Ungläubigen sind also ausgerissene und verblühende Blumen. Deswegen hat Jesus zu seinen Jüngern gesagt: »Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr keineswegs ins Himmelreich kommen.« Da aber die Tugenden der Ungläubigen gerade jener Natur sind, sind sie nur vorübergehend. Wer sie besitzt, gleicht jenem, bei dem der Samen auf das Steinige fällt und zwar sehr schnell aufgeht, aber dann verwelkt, wenn die Sonne kommt, weil er keine Wurzeln hat.
Aus all diesem folgt nun genau das, was wir die Errettung einzig und allein aus Gnaden genannt haben. Es bleibt Gott überlassen, in Harmonie mit seiner unendlichen und vollkommenen Natur, ob er jemanden rettet, ob es einige, viele oder auch alle sind — alles ganz nach seinem souveränen Willen. Es folgt daraus auch: Die Errettung basiert nicht auf irgend einer menschlichen Beschaffenheit. Es hängt ganz allein von Gott und nicht vom Menschen ab, wem Er das ewige Leben gibt und wem nicht. Gott handelt völlig souverän, wenn er einigen seine Gnade zuwendet, während er die anderen dem überlasst, was sie rechtmäßig verdienen. Die Sünder werden in ihrer Hilflosigkeit mit Toten verglichen, ja sogar mit vertrockneten Knochen. Darin sind sie sich alle gleich. Die Wahl des ewigen Lebens ist absolut: Es ist, als greife Christus in einzelne Gräber, um hier und da welche hervorzuholen und wiederzubeleben; der Grund, warum er diese und nicht andere erweckt, kann nur seinem Wohlgefallen zugeschrieben werden, nicht aber in den Toten gefunden werden. Daher auch die Aussage, dass wir vorherbestimmt sind nach dem Wohlgefallen seines Willens und nicht wegen eigener guter Taten; vorherbestimmt, um heilig zu sein, nicht weil wir es schon waren (Eph 1,4.5).
»Da alle Menschen ausnahmslos nur Gottes Zorn und Fluch verdient haben, ist die Opferung seines einzigen Sohnes anstelle der Sünder als einzige Möglichkeit zur Sühne die erstaunlichste Darstellung unverdienter Gnade und persönlicher Liebe, die das Universum je gesehen hat.«6666 A. A. Hodge, Flugschrift Presbyterian Doctrine, S. 23.
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