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4) Nur der Calvinismus besteht den Test
Die einzelnen Lehraussagen der Heiligen Schrift sind äußerst harmonisch: Fasst man eine Stelle falsch, führt sie beinahe unweigerlich zu irrigen Auffassungen über die übrigen Stellen; fasst man sie richtig, versteht man auch die anderen Stellen. Alle anderen Lehrgebäude irren sich mehr oder weniger — einzig der Calvinismus hält sich eng an die Heilige Schrift. Das bedeutet freilich nicht, das der Korpus der wichtigsten Lehren wie die Göttlichkeit Christi, sein stellvertretender Tod, seine Auferstehung oder das Wirken des Heiligen Geistes nicht auch andere glauben. Es bedeutet aber: Je weiter man sich vom Calvinismus entfernt, desto weiter entfernt man sich von der gesunden Lehre.
In der Regel entkräften Anticalvinisten die Lehre von der Sühne, vom Wirken des Heiligen Geistes, der Schuld und der Unfähigkeit des Menschen, der Erneuerung usw., so dass oft nicht mehr übrig bleibt als leere Worte; am Ende dieser Entwicklung tendiert man dazu, auch den Rest noch zu leugnen. Die Gegner des Calvinismus machen gewöhnlich wenig Unterschied zwischen dem objektiven Werk Christi für uns und dem subjektiven Werk Christi in uns; die Sühne wird auf die unterschiedslose Liebe Gottes zu allen Menschen reduziert, was nur zeigt, dass Gott vergebungsbereit ist. Andere Lehrgebäude tendieren dazu, die Sühne zur Disposition einer »moralischen Überzeugung« zu stellen, während der Calvinismus davon überzeugt ist, dass das Leiden Christi ein ausreichendes Opfer ist, das Gottes Gerechtigkeit genügt — das Leiden Christi ist der gerechte Lohn, den sonst sein Volk zu bezahlen hätte.
Wir leben in einer Zeit, in der sämtliche protestantischen Kirchen von innen her durch Unglauben angegriffen werden. Manche sind dem Unglauben schon erlegen. Die Sukzession des Abstiegs war immer die gleiche: Vom Calvinismus zum Arminianismus und vom Arminianismus zum Modernismus oder zum Unitarismus258258 Interessant ist hier eine Parallele aus James Montgomery Boice und Philip Graham Ryken, Die Lehren der Gnade, (Betanien Verlag 2009), S. 70: „Der Weg vom Calvinismus zum Liberalismus — und sogar zum Atheismus — ist schon oft gegangen worden, und normalerweise führt er über den Arminianismus“ (A. d. Ü.). ; der letztere hat sich immer als selbstzerstörerisch erwiesen. Ich bin überzeugt, dass die Siege des Christentums eng an die Siege des Calvinismus geknüpft sind. Die Geschichte des Modernismus und der Unitarier in diesem Lande hat bewiesen, dass diese Lehrsysteme zu schwach sind, sich zu erhalten. Wenn die Grundsätze des Calvinismus aufgegeben werden, entsteht ein starker Sog abwärts in die Tiefen des Naturalismus. Manche haben — und ich stimme dem zu — jede konsistente Mittelstellung zwischen Calvinismus und Atheismus ausgeschlossen.
Die besprochenen Unterschiede zwischen Calvinismus und Arminianismus sind nicht unbeträchtlich, und niemand, der jene Wahrheiten nicht genauestens unter die Lupe nimmt, wird erkennen, welch große Anzahl an Irrlehren der Arminianismus seinem Gedankengebäude bereits eingegliedert hat. Wenn nur ein Lehrgebäude richtig ist, müssen die anderen notwendigerweise falsch sein. Als konsequente Calvinisten glauben wir, dass diese Lehren die letzte Wahrheit verkörpern und sich in alle Ewigkeit als solche erweisen werden. Wir halten daran fest, dass der Calvinismus das einzige biblisch-christliche Lehrgebäude ist, dass es auch das einzige ist, das vor der Welt in angemessener und logischer Weise verteidigt werden kann. Es ist klar, dass ein Lehrgebäude, das mit der Schrift und mit der Vernunft konform geht, leichter zu verteidigen ist als alle anderen Lehrsysteme. Wir glauben, dass Calvinismus und konsistenter Theismus nicht nur Anknüpfungspunkte haben, sondern identisch sind und dass die Ablehnung des Calvinismus der Ablehnung eines theistischen Verständnisses des Universums gleichkommt. Im Calvinismus ist der »Theismus zu seinem Recht« gekommen, wie Dr. Warfield sagt; dies sei »Evangelikalität in reinster Form und dauerhaftestem Ausdruck,« oder auch »jene Religion, bei der die Vorstellung zur Höhe gelangt ist.« Wir glauben, dass die Zukunft des Christentums — ganz wie die Vergangenheit — in der Hand des Calvinismus liegt und dass mit dem Fortschritt des Christentums das calvinistische Lehrsystem mehr und mehr an Bedeutung gewinnen wird.
Wegen der inkonsistenten Position des Arminianismus als einer zwiegespaltenen Religion (einerseits Gnade, andererseits Werke) zeigt der Arminianismus nur wenig Widerstand gegen die naturalistischen Tendenzen der letzten Jahre. Beinahe alle bekennenden arminianischen Kirchen sind vom Liberalismus dieser Tage aufgesogen worden. So sagt Dr. S. G. Craig:
»Wenn wir das Christentum nicht nur gegen moderne Angriffe sichern wollen, sondern es mit einiger Hoffnung auf Erfolg in einer modernen Welt empfehlen wollen, dann müssen wir es auch mit logischem und wissenschaftlich fundiertem Leben und Weltanschauungen füllen, die uns nur der Calvinismus geben kann; eine Wiedergeburt des Calvinismus ist notwendig, wenn wir das, was wir allgemeines Christentum nennen, vor dem Podium menschlicher Denkweisheit verteidigen wollen.«259259 Quelle nicht angegeben
Der späte Henry B. Smith hat zumindest im Prinzip recht, wenn er schreibt:
»Eine Sache ist sicher: Die ungläubige Wissenschaft wird alles ausrotten, was nicht durch und durch christliche Rechtgläubigkeit heißt. All die schlaffen Theorien, all die aufgeweichten Herausbildungen und das Fegefeuer der Spekulationen werden bald über Bord gehen. Der Kampf wird zwischen zäher, durchgängiger Rechtgläubigkeit und zähem, durchgängigem Unglauben stattfinden. Augustin oder Comte wird es heißen, Athanasius oder Hegel, Luther oder Schopenhauer, John Stuart Mill oder Johannes Calvin.«260260 Quelle nicht angegeben
Die Schlacht wird zwischen dem Naturalismus der Wissenschaft und dem Supranaturalismus des Christentums ausgetragen werden — da müssen alle kompromittierenden Entwürfe zunichte werden. An dieser Stelle soll gesagt sein, dass wir nichts gegen echte Wissenschaft haben. Wir anerkennen sehr wohl den Wert der Biologie, der Chemie, der Physik, der Astronomie usw., und wir wissen auch, dass der Fortschritt des zwanzigsten Jahrhunderts nur aus diesen Wissenschaften zu erklären ist. Wir begrüßen die Wahrheit, aus welcher Quelle auch immer sie kommen mag, und wir sind davon überzeugt, dass diese Wissenschaften letztendlich das Christentum bekräftigen werden.261261 Der Optimismus Boettners ist nur vor dem Hintergrund des Postmillennialismus zu verstehen. Dass es heute so aussieht, als habe der Naturalismus Oberwasser bekommen, wäre freilich eine einseitige Sicht der Dinge. Nicht die Wissenschaft als solche wäre imstande, das eine oder das andere zu stützen, sondern die Träger der jeweiligen Disziplinen. Und da heißt es gegenwärtig, sich der Deszendenztheorie eines Darwin mit allen Implikationen zu beugen oder die wissenschaftliche Karriere an den Nagel zu hängen. Jede Devianz vom antichristlichen Tenor der Wissenschaften führt in die Bedeutungslosigkeit. Dass die Wahrheit im Wissenschaftsbetrieb von heute dem vitalen Interesse am Überleben und dem wissenschaftlichen Lobbyismus nachgeordnet ist, hat John Horgan in seinem Buch „Die Grenzen der Wissenschaft“ angedeutet. Über das maßgebliche Wissenschaftsmagazin „Nature“ schreibt er beispielsweise: „John Maddox, der Herausgeber von Nature, meinte einmal, wenn Newton heute einen Artikel über seine Gravitationstheorie bei einem Wissenschaftsmagazin einreichte, dann würde dieser mit Sicherheit wegen der vermeintlichen Absurdität der Theorie abgelehnt“ (A. d. Ü.).
Der Psalmist erklärt: »Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament« (Ps 19,2). »Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name auf der weiten Erde!« (Ps 8,2). Je besser wir also über diese Dinge bescheid wissen, desto mehr werden wir Gott verstehen lernen. Unsere Ablehnung betrifft eher die ungläubigen Wissenschaftler, die versuchen, ihre antichristlichen oder atheistischen Weltanschauungen in die Religion und die Philosophie hineinzutragen und die mit autoritärer Professionalität über Dinge sprechen, von denen sie keine Ahnung haben. Es ist bemerkenswert, dass die Kirchengeschichte viele theologische Systeme hat aufsteigen und fallen sehen, während der Calvinismus seine Stetigkeit behalten hat. Der Arminianismus, jedenfalls in seiner derzeitigen Ausprägung, ist ja noch relativ neueren Datums. So wurde er auch von Beginn der Reformation an bis ins auslaufende achtzehnte Jahrhundert von allen protestantischen Gremien und Konzilen abgelehnt. Im Katholizismus ist es ihm nicht besser ergangen. Im vierten Jahrhundert gelang es einem Augustinus, die Prädestinationslehre zur anerkannten christlichen Doktrin zu erheben; zu keiner Zeit hat die katholische Kirche die Lehren des Arminianismus offiziell anerkannt oder übernommen. Es hatten noch eine Anzahl weitere —ismen ihr kurzes Bestehen, unter welche zu zählen sind: Nestorianismus262262 Diese Lehre behauptet, in Jesus Christus seien zwei Wesenheiten verkörpert: Mensch und Gott, und beide seien über das Band der Liebe verbunden. Jede Handlung Jesu Christi könne jeweils einer von beiden Personen zugeordnet werden. Allerdings ist fraglich, ob man beim Nestornianismus von einer historischen Bewegung wird sprechen dürfen, da sich keine Kirche explizit zu den Lehren Nestorius’ bekannt hat, dessen Lehren 431 im Konzil von Ephesus verurteilt worden waren (A. d. Ü.). , Arianismus263263 Der alexandrinische Priester Arius leugnete die Gottheit Jesu und behauptete, Jesus sei Gottes vornehmstes Geschöpf, eine Art Zwischenwesen zwischen Gott und Welt. Die Lehre wurde vom Konzil zu Nicäa 325 n. Chr. verdammt, später noch einmal vom Konzil zu Konstantinopel 381 n. Chr. (A. d. Ü.). , Pelagianismus264264 Der Pelagianismus stammt vom britischen Mönch Pelagius, der gegen Augustinus die Erbsünde leugnete und behauptete, der Mensch könne das Heil durch eigenes Bemühen erreichen, da er seinen freien Willen je zum Guten oder zum Bösen bestimmen könne. 431 n. Chr. am Konzil von Ephesus verurteilt (A. d. Ü.). , Semi-Pelagianismus265265 Der Semi-Pelagianismus ist dem Arminianismus am nächsten: Er hält zwar an der Erbsündenlehre fest, geht aber trotzdem von einem neutralen Willen aus. Die Lehre wurde 529 n. Chr. auf der Synode von Arausio abgelehnt (A. d. Ü.). , Socinianismus266266 Vorläufer der Unitarier — sie leugneten die Dreieinigkeit und die Fleischwerdung Jesu Christi. Ihr Name leitet sich von dem italienischen Humanisten Fausto Sozzini her, der um 1604 starb (A. d. Ü.). und andere. Sie haben ihre Zeit gehabt und sind wieder verschwunden, während unser Lehrgebäude, einmal unter dem Namen Augustianismus, ein andermal unter der Bezeichnung „Calvinismus“ bekannt, seit jeher bei seinen Prinzipien geblieben ist. Ist dies nicht selbst ein starkes Indiz für die Wahrheit dieser Lehre? Zum Westminster-Bekenntnis sagt Charles Hodge:
»Die neueren Modifikationen des Calvinismus sind verschwunden; die reine und konsistente Form des Supranaturalismus und des Evangelikalismus steht als unangreifbare Barriere gegen die Fluten des Naturalismus, der versucht, alle Kirchen des Christentums zu überschwemmen.«267267 Quelle nicht angegeben
Nur im Calvinismus findet das logisch-konsistente Denken zur Ruhe. Dass das System in sich logisch ist, wird sogar von seinen Gegnern nicht bestritten. Jeder, der mit dem Calvinismus in Berührung kommt, wird ihn entweder hassen oder lieben, aber auch wenn er ihn hasst, so wird er doch nicht respektlos davon sprechen. Der Calvinismus wird manchmal einfach deswegen kritisiert, weil er mehr Betonung auf innere Logik legt als auf Gefühle. Es ist wahr: Der anthrazitene Calvinismus ist nicht so leicht entzündlich wie Stroh, doch wenn er einmal brennt, dann erzeugt er langanhaltende und intensive Hitze. Prof. H. H. Meeter sagt einmal:
»Im Vergleich mit anderen religiösen Gemeinschaften betont der Calvinismus zweifelsohne das Verständnis. Er ist für seine Dialektik wohlbekannt. Die Calvinisten selbst gelten als die Logiker par excellance unter den Theologen. Oliver Wendell Holmes ging sogar so weit, diesen Aspekt des Calvinismus in seiner Burleske ›The Deacon’s Masterpiece‹ zu persiflieren: Der alte Einspänner, der so gut konstruiert war, dass jede Mutter, jeder Bolzen, jede Stange und jede Speiche von gleicher Qualität waren und bei dem sich kurz vor dem Versammlungshaus alle Teile voneinander lösten, galt ihm als Sinnbild der Geschichte des Calvinismus. Als Meisterwerk der Logik überdauerte er die Zeitalter und galt erst als zusammengebrochen, als die Transzendentalphilosophie in England ihren Aufstieg zu nehmen begann.«268268 Meeter, The Fundamental Principle of Calvinism, S. 25.
Der Einwand, der Calvinismus betone die Logik zu sehr, hat keine ausreichende Grundlage. Das kann jeder sehen, der dieser Lehre nicht schon von vornherein feindlich gegenübertritt. Es mag vielleicht besser sein, sich auf der Verstandesseite zu irren als auf der Gefühlsseite, doch wer hat schon davon gehört, dass man ein Lehrgebäude wegen seiner inneren Logik verworfen hat? — und wir erfreuen uns der großen Logik unseres Lehrgebäudes.
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