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3) Der Ausdruck »Welt« wird in verschiedenem Sinne gebraucht

Wenn es heißt: »Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, doch nicht nur für unsere, sondern auch für die der ganzen Welt« (1. Joh 2,2) oder dass er gekommen sei, die Welt zu retten (Joh 12, 47), dann bedeutet das: nicht nur Juden sind das Ziel der Erlösung, sondern auch Heiden, das Heil betrifft nicht nur die Juden, sondern die ganze Welt, die ganze Menschheit. Die Aussage Johannes des Täufers: »Sieh, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt wegnimmt!« ist kein theologischer Diskurs für Heilige, sondern eine Predigt an Sünder; es wäre ja wahrhaft unnatürlich gewesen, hätte Johannes an dieser Stelle über die begrenzte Sühne oder über eine andere Lehraussage gesprochen, die nur von Heiligen hätte verstanden werden können. Johannes kam, »Zeugnis abzulegen, Zeugnis für das Licht, damit alle durch ihn zu Glauben kommen« (Joh 1,7). Es ist unverständig zu sagen, der Dienst des Johannes habe eine Möglichkeit für alle geboten, für jeden einzelnen Menschen auf dieser Welt, zum Glauben an Christus zu kommen. Johannes predigte nicht den Heiden. Seine Mission war eine andere: »Aber damit er (Jesus Christus) in Israel offenbar werde, bin ich gekommen« heißt es (Joh 1,31). Der Natur der Sache nach konnte nur ein Teil der Juden dazu gebracht werden, ihm zuzuhören.

Manchmal bedeutet der Begriff »Welt« nicht die ganze Welt, sondern nur einen großen Teil, zum Beispiel wenn es heißt, der Teufel sei der Verführer der ganzen Welt oder dass die ganze Welt dem Tier aus Bewunderung folgte (Offb. 13,3). Wenn Johannes (1. Joh 5,19) sagt, die ganze Welt liege im Machtbereicht des Bösen, dann kann nicht jeder einzelne Mensch damit gemeint sein, sondern dann sind die, die aus Gott sind, davon ausgenommen, sonst widerspräche er sich ja. Manchmal bedeutet »Welt« auch nur einen vergleichsweise kleinen Teil der Welt, etwa wenn Paulus vom Glauben der Christen in Rom spricht, der »in der ganzen Welt gerühmt wird« (Röm 1,8). Nur Gläubige würden diesen Glauben der Christen in Rom ja rühmen, während der Großteil der Welt ja nicht einmal gewusst hat, dass es überhaupt eine Gemeinde Jesu Christi in Rom gab! Paulus meinte die glaubende Welt der christlichen Gemeinde, und die machte zum damaligen Zeitpunkt wahrlich erst einen kleinen Teil von der Welt aus. Kurz vor der Geburt Christi »erging vom Kaiser Augustus der Befehl, die ganze Welt aufzuschreiben … Da gingen alle hin, ein jeder in seine Vaterstadt, um sich eintragen zu lassen« (Lk 2,1.3). Wir wissen, dass der Schreiber hier nur jenen vergleichsweise kleinen Teil der Welt im Sinn hatte, den Rom damals beherrschte. Wenn es zu Pfingsten heißt: »In Jerusalem wohnten fromme Juden aus allen Völkern unter dem Himmel« (Apg 2,5), dann betraf das freilich nur jene Nationen, die den Juden bekannt waren, denn die Verse 9—11 listen diese Völker dann auch auf. Paulus sagte einmal, das Evangelium werde schon »der ganzen Schöpfung unter dem Himmel verkündet« (Kol. 1,23). Von der Göttin Diana aus Ephesus heißt es, »ganz Asien und der Erdkreis« verehre sie (Apg 19,27). Die Hungersnot, die zu Josephs Zeiten über Ägypten kam, erstreckte sich nach der Schrift auf »die ganze Erde« und die ganze Welt kaufte bei Josef ein (1 Mo 41,57).

Wir sprechen im Alltag auch oft von der Geschäftswelt, der Bildungswelt, der politischen Welt usw. und meinen damit auch nicht, dass jeder Mensch auf dieser Welt ein Geschäftsmann, ein Gebildeter oder ein Politiker ist. Wenn wir sagen, ein bestimmter Autohersteller verkaufe seine Erzeugnisse jedermann, dann meinen wir dies nicht in buchstäblichem Sinn, sondern wir meinen, er verkaufe seine Erzeugnisse jedermann, der sie kaufen will und den Preis dafür bezahlt. Wir können einem einsamen Literaturgelehrten nachsagen, er unterrichte alle Studenten. Damit meinen wir nicht, dass jeder Mensch Literatur bei ihm studiert, sondern dass alle, die Literatur studieren, dies bei ihm tun. Die Bibel ist in der geraden Sprache einfacher Menschen geschrieben und muss auch auf diese Weise gelesen werden.

Verse wie Joh 3,16: »Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gegeben hat, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat« beweisen, dass das Heil nicht nur für die Juden da war, sondern auch den Heiden zugedacht war. Gott hat die ganze Welt geliebt und nicht nur einen kleinen Teil von ihr. Er liebte die Welt als Ganzes, und für sie gab er seinen einzigen Sohn zur Erlösung. Das kleine Adverb »so« zeigt aber nicht nur die Ausdehnung der Liebe Gottes, sondern ebenso ihre Intensität — Gott liebte diese Welt so sehr, dass er ihr trotz ihrer Bosheit seinen einzigen Sohn gegeben hat, um für diese Welt zu sterben. Wo ist hier der oft gerühmte Beweis der Universalität, derzufolge sich diese Liebe auf jedes einzelne Individuum erstrecken soll? Dieser Vers wird manchmal derart überstrapaziert, dass man gemeint hat, Gott werde letztlich über all das Böse in der Welt hinwegsehen und die Menschen nicht nach ihren Sünden behandeln. Der aufmerksame Leser wird beim Vergleichen dieses Verses mit anderen Schriftstellen aber schnell merken, welche Einschränkungen dem Begriff »Welt« auferlegt werden müssen. Jemand hat einmal gefragt: liebte Gott auch den Pharao?219219     Röm 9, 17: So sagt die Schrift zu Pharao: »Gerade dazu habe ich dich erweckt, um an dir meine Macht zu zeigen, damit mein Name auf der ganzen Erde verkündet werde.« Liebte er die Amalekiter?220220     2 Mo 17, 14: Hierauf befahl der Herr dem Mose: »Schreibe dies zur Erinnerung in das Buch und verkünde Josua, dass ich das Andenken an die Amalekiter unter dem Himmel völlig austilgen werde!« Liebte er auch die Kanaaniter, die er gnadenlos zu vertilgen befahl?221221     5 Mo 20, 16: Doch in den Städten dieser Völker, die der Herr, dein Gott, dir zum Eigentum geben will, darfst du niemand am Leben lassen. Liebte er etwa die Ammoniter und die Moabiter, von denen es heißt, dass sie von der Gemeinde für ewig ausgeschlossen bleiben?222222     5 Mo 23, 3: Kein Bastard darf in die Gemeinde des Herrn aufgenommen werden. Nicht einmal im zehnten Glied darf er in die Gemeinde des Herrn Aufnahme finden. Liebt er etwa die Frevler?223223     Psalm 5, 5: Kein Frevler hat bei dir Gastrecht. Liebt er die Gefäße des Zorns, die er mit großer Ausdauer erträgt?224224     Röm 9, 22: Was, wenn also Gott die Gefäße des Zornes, die dem Verderben geweiht sind, mit viel Langmut ertragen hat, um nun an ihnen seinen Zorn zu zeigen und seine Macht zu offenbaren? Liebte er Esau?225225     Röm 9, 13: So steht auch geschrieben: »Jakob habe ich geliebt, Esau gehasst.«


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