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1) Die Ausdrücke »Wille« und »alle«

Steht die Prädestinationslehre nicht in direktem Widerspruch zur Schrift, die doch erklärt, dass Christus für »alle Menschen« gestorben ist, für »die ganze Welt«? Heißt es nicht, dass Gott die Errettung aller Menschen will?

In 1 Tim 2,3f. bezieht sich Paulus auf »Gott, unseren Retter, der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.« (Das Wort »alle«, so wird uns in dogmatischer Manier von unseren Gegnern versichert, muss jeden Menschen meinen.) In Hesekiel 33,11 lesen wir: »So wahr ich lebe, — Spruch des allmächtigen Herrn — ich habe kein Wohlgefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass sich der Gottlose von seinem Weg bekehre und lebe«; und in 2 Petr 3,9 lesen wir, dass Gott nicht will, »dass jemand verlorengeht, sondern dass alle zur Sinnesänderung gelangen.« Die King James Version hat: »Not willing that any should perish…« (will nicht, dass jemand verlorengeht). Diese Verse sagen aber schlicht, dass Gott ein wohlwollender Gott ist und keine Freude am Leid seiner Kreaturen hat, genauso wenig wie ein Vater sich daran erfreut, dass er seinen Sohn manchmal züchtigen muss. Gott will nicht per Dekret die Errettung aller Menschen, ganz abgesehen davon, wie er sie sonst wünschen mag; wenn auch nur ein Vers lehrte, er wolle die Erlösung aller Menschen per Beschluss, dann erst stünden sie in Widerspruch zu denjenigen Stellen, die aussagen, dass Gott souverän herrscht und dass es sein ausdrückliches Ziel ist, einige der Strafe zu überlassen.

Das Wort »Wille« wird nicht nur in der Heiligen Schrift, sondern auch in unserem täglichen Sprachgebrauch verschieden verwendet. Manchmal meint es »Beschluss« oder »Ziel/Zweck«, manchmal bedeutet es aber auch nur den »Wunsch« oder das »Verlangen« nach etwas. Ein gerechter Richter will (wünscht) nicht, dass jemand die Todesstrafe erleidet oder ins Gefängnis muss, doch gleichzeitig will (beschließt) er die Strafe des Schuldigen. Gleicherweise kann ein Mensch aus zureichendem Grund wollen, dass man ihm eins seiner Gliedmaßen entfernt, obgleich er sich dies nicht geradezu wünschen kann. Die griechischen Wörter »thelo« und »boulomai«, die manchmal mit »Wollen« übersetzt werden, werden ebenso im Sinne von »Wünschen« oder »Verlangen« gebraucht, z. B. wenn Jesus zur Mutter des Jakobus und des Johannes sagt: »Was willst du?« (Mt 20,21), oder wenn von den Pharisäern die Rede ist, »die in langen Gewändern einhergehen wollen« (Lk 20,46). Einige der Schriftgelehrte und Pharisäer sagten zu Jesus: »Lehrer, wir möchten ein Zeichen von dir sehen« (Mt 12,38). Paulus sagte: »Aber in der Versammlung will ich lieber fünf Worte reden mit meinem Verstande als zehntausend Worte in einer Sprache« (1 Kor 14,19).

In gleicher Weise wird das Wort »alle« in verschiedenem Sinne gebraucht. In manchen Fällen ist ganz klar, dass nicht damit nicht »jeder Mensch« bezeichnet wird, zum Beispiel wird von Johannes dem Täufer gesagt: »Und es ging zu ihm hinaus das ganze jüdische Land und alle Bewohner von Jerusalem« (Mk 1,5). Nachdem Petrus und Johannes den lahmen Mann geheilt hatten, der an der Tempeltür saß, heißt es: »denn alle verherrlichten Gott über das, was geschehen war« (Apg 4,21). Jesus sagte seinen Jüngern, dass sie von »allen Menschen gehasst werden würden« um seines Namens willen (Lk 21,17) Paulus wurde angeklagt, dass er »überall vor aller Welt gegen das Volk, das Gesetz und diese Stätte seine Lehren verbreitet.«

Als Jesus sagte: »Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, will alle zu mir ziehen« (Joh 12,32), da meinte er ja ganz klar nicht jeden einzelnen Menschen, denn die Geschichte zeigt, dass nicht jeder Mensch zu ihm gezogen worden ist. Es ist sicher, dass er die Millionen Heiden, die in völliger Unwissenheit gegenüber dem wahren Gott gestorben sind, gerade nicht zu sich gezogen hat. Was er gemeint hat, war, dass er eine unzählbare Schar aus allen Nationen und Klassen retten wird, und dies sehen wir täglich sich erfüllen. In Hebr. 2,9 lesen wir, dass Jesus den Tod »für jedermann« geschmeckt hat. Das griechische Wort jedoch sagt nur »für alle«, nicht »jeden Menschen«. Wenn dem Prinzip nach die Meinung nicht auf die tatsächlich Geretteten limitiert werden darf, weshalb bezieht sich das dann nur auf den Menschen? Weshalb nicht auch auf die gefallenen Engel, ja, den Teufel selbst und die Tiere?

Wenn gesagt ist: »So wie sie in Adam alle sterben, so sollen sie in Christus alle lebendig gemacht werden« (1 Kor 15,22), dann können nicht alle Menschen unterschiedslos gemeint sein, sondern dies bezieht sich auf alle, die wohl in Adam gestorben sind, aber in Christus sind, sonst lehrte der Vers die Allversöhnung. Nach paulinischer Rede bedeutet »in Christus sein« immer Christsein, Gerettetsein, und ganz klar trifft das nicht auf alle Menschen zu. Auch der Kontext zeigt dies, da das ganze Kapitel nur von Erlösten spricht.

Wäre diese Stelle tatsächlich so zu verstehen, dass das Werk Christi sich in der Weise erstreckt wie das Werk Adams, dann wäre eines von zwei Resultaten unvermeidbar: Entweder bedeutet es, dass alle Menschen gerettet werden, oder dass alle Menschen in jenen Stand versetzt werden, in dem Adam vor dem Fall war. Beide Bedeutungen widersprechen nicht nur der Heiligen Schrift, sondern auch der Erfahrung. Der einzig mögliche Schluss ist, dass das Werk Christi hinsichtlich der Ausdehnung nicht dem Werk Adams gleicht; Adam repräsentiert die ganze menschliche Rasse, Christus repräsentiert dagegen jene, die ihm vom Vater gegeben sind. Die Aussage in 2 Kor 5,15, dass Christus »für alle gestorben« ist, kann vielleicht darauf zurückgeführt werden, dass dieser Brief an die »Gemeinde Gottes in Korinth samt allen Heiligen in ganz Achaia« gerichtet ist, und dann würde sich das »alle« auf alle angesprochenen Heiligen beziehen.

Es ist nicht die ganze Menschheit, die ohne Unterschied von Gott geliebt und unterschiedslos durch Christus erlöst ist. Johannes Preislied: »Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist erwürget und hast uns Gott erkauft mit deinem Blut aus allerlei Geschlecht und Zungen und Volk und Heiden und hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht…« basiert ganz offensichtlich auf der Annahme einer bestimmten Erwählung und einer begrenzten Sühne, da Gottes Liebe der Grund und das Blut Christi das wirksame Mittel zu ihrer Erlösung ist. Die Erklärung, dass Christus für »alle« gestorben ist, erhellt erst aus dem Lied, das die Erlösten vor dem Thron des Lammes singen: »Denn du bist geschlachtet worden und hast durch dein Blut Menschen losgekauft für Gott aus allen Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen« (Offb. 5,9; 1,5). Das Wort „alle“ meint alle Erwählten, seine ganze Gemeinde, alle, die der Vater dem Sohn gegeben hat, nicht generell jeden einzelnen Menschen.

Die Schar der Erlösten rekrutiert sich aus allen Klassen und Lebensbedingungen, aus Königen und Bauern, Reichen und Armen, Gefangenen und Freien, Männern und Frauen, Jungen und Alten, Juden und Heiden, Menschen aus allen Nationen, Rassen, vom Norden bis zum Süden und vom Osten zum Westen.

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