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4) Der menschliche Wille ist unter die Sünde versklavt

Genau gesagt besteht die Freiheit des menschlichen Willens darin, dass sie keinem Zwang unterliegt, sich also nicht mit seinem Willen überschneidet und damit auch seine Entscheidungsfreiheit nicht antastetet. Damit bleibt er auch für sein Handeln verantwortlich. Er kann als gefallenes Wesen nur eine Freiheit haben: die »Freiheit der Sklaverei.« Er ist der Sünde versklavt und folgt ganz automatisch und natürlicherweise den Zielen Satans. Er hat keinerlei Fähigkeit oder inneren Antrieb, Gott zu folgen. Kann man dies denn »frei« nennen? Die Antwort darauf lautet: Nein. Der Ausdruck »freier Wille« sollte besser durch den Begriff »Selbstwille«177177     Ich schlage die Bezeichnung „ethisch neutraler Wille“ vor (A. d. Ü.). ersetzt werden: Dieser Ausdruck beschreibt den Zustand des gefallenen Menschen besser. Es muss daran erinnert werden, dass der Mensch nicht so geschaffen worden ist, sondern dass er aus eigener Schuld in jenen Zustand geraten ist; mit dem Verlust dieser ursprünglichen Freiheit aber ist die Verantwortlichkeit nicht auch verloren gegangen! Wenn die Erlösung des Menschen einst völlig abgeschlossen sein wird, wird er ganz spontan und ständig dem Willen Gottes entsprechen, genau wie die Engel; er wird aber zu keiner Zeit sein eigener Herr sein. Es kann nicht geleugnet werden, dass genau dies die Lehre Luthers war. In seinem Buch Vom unfreien Willen verfolgt er das Ziel, zu zeigen, dass der Wille des Menschen in seinem natürlichen Zustand ganz unter die Sünde versklavt ist; dass er sich trotz dieser Vernarrtheit in seinen Zustand frei wähnt, erklärt Luther so:

»Was der Mensch auch tut, tut er notwendig, doch ohne dass er dabei Zwang empfindet; er kann nur tun, was Gott von Ewigkeit her gewollt und von dem er gewusst und bestimmt hat, und dieser Wille Gottes ist wirksam, sein Vorherwissen ist gewiss.  …  Weder der Wille Gottes noch der Wille des Menschen steht unter Zwang; alles was der Mensch tut, sei es Gutes oder Böses, tut er ganz nach seiner Neigung und seinem Willen, als wäre dieser frei. Aber letztlich bleibt der Wille Gottes gewiss und unveränderlich; er regiert den menschlichen Willen.«178178     Martin Luther, Vom unfreien Willen.

An einer anderen Stelle sagt er:

»Nachdem nämlich zugestanden und begriffen ist, dass der freie Wille, nachdem er die Freiheit verloren hat, unter die Knechtschaft der Sünde gezwungen worden ist und gar nichts Gutes wollen könne, so kann ich aus diesen Worten nichts anderes entnehmen, als dass der freie Wille ein leeres Wörtchen ist, dessen Inhalt verloren ist. Eine verlorene Freiheit nennt meine Sprachlehre keine Freiheit.«179179     Ebd.

Er nennt den »freien Willen« nichts als »eine reine Lüge«180180     Luther schreibt: »Denn das ist offensichtlich ein Beweis dafür, dass der freie Wille eine reine Lüge ist, dass es mit ihm geht wie mit jenem Weibe im Evangelium (Luk. 8,43); je mehr die Ärzte sich mit der Heilung befassen, desto schlimmer steht es« (A. d. Ü.). und fügt etwas später hinzu:

»Es ist also auch dies vor allen Dingen notwendig und heilsam für den Christen zu wissen, dass Gott nichts zufällig vorherweiß, sondern dass er alles mit unwandelbarem, ewigem und unfehlbarem Willen sowohl vorhersieht, sich vornimmt und ausführt. Durch diesen Donnerschlag wird der freie Wille zu Boden gestreckt und ganz und gar zermalmt. Deshalb müssen die, welche den freien Willen behauptet haben wollen, diese schlagende Erkenntnis entweder verneinen oder verleugnen oder auf irgendeine andere Weise von sich schaffen.«181181     Ebd.

Es wird manchmal eingewendet: Wenn der Wille des Menschen nicht völlig frei wäre, dann beföhle Gott ihm ja Dinge, die er gar nicht tun kann. An vielen Stellen der Schrift wird der Mensch aber aufgefordert, Dinge zu tun, die er aus eigener Kraft niemals tun könnte! Der Mann mit der verdorrten Hand sollte diese Hand ausstrecken. Der Gelähmte ist aufgefordert worden, aufzustehen und zu gehen; der Kranke, aufzustehen, sein Bett zu nehmen und zu gehen. Der tote Lazarus bekam den Befehl: Komm heraus! Den Menschen wird der Glaube befohlen, und dennoch ist dieser Glaube eine »Gabe Gottes«. »Wach auf, du Schläfer, stehe auf von den Toten, und Christus wird dich erleuchten!« (Eph 5,14). »Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.« (Mt 5,48). Des Menschen selbstverschuldete Unfähigkeit zum richtigen Handeln entbindet ihn noch lange nicht von der Pflicht, so zu handeln!


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