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Es hat sich bisher kein beachtenswerther Widerspruch gegen die Zuverlässigkeit der Tradition erhoben, dass ein antiochenischer Bischof, Namens Ignatius, im 2. Jahrh. um des christlichen Bekenntnisses willen ad bestias verurtheilt worden ist und zu Rom den Tod erleiden sollte.11 Die von Volkmar (Handb. d. Einl. i. d. Apokr. I, S. 49f. S. 121f.), früher von Neander (Allg. Gesch. d. christl. Religion, 2. Aufl. 1. Bd. S. 327 u. a. a. OO.) erhobenen Einwürfe bedürfen keiner Widerlegung mehr. Der Versuch, diese Tradition zu beseitigen, scheitert an der Existenz der unter dem Namen des Ignatius überlieferten sieben Sendschreiben, die ohne Zweifel dem vorirenäischen Zeitalter angehören.22 Wir besitzen hinreichendes Material, um die Behauptungen einiger früherer Gelehrten, die Briefe seien am Ausgange des 2. oder erst im Anfang des 3. Jahrhundert’s geschrieben, zu widerlegen. Zwar erregen gewisse Beobachtungen an dem überlieferten Text der sieben Briefe immer wieder Verdacht; aber eine genaue Erwägang des Details sowohl als des Gesammtcharacters der Schriftstücke muss solche Zweifel niederschlagen. Man wird aber auch weiter behaupten dürfen, dass die Hauptfacta, welche jene Briefe voraussetzen, gegründeten Verdacht nicht hervorrufen—die Verurtheilung in Antiochien, der Transport nach Rom, die Reiseroute, die Lage des Gefangenen, die erwartete Execution in der Hauptstadt.33 Vgl. Zahn, Ignat. v. Antioch. (1873) S. 242-295. S. 56-74.
Bekanntlich enthalten die sieben Briefe selbst keine directen Angaben, aus denen man das Datum jener Facta bestimmen könnte. Dagegen erzählt die Tradition, Ignatius sei 2unter Trajan Märtyrer geworden. Eben diese Angabe ist gegen die Echtheit der sieben Briefe vor allem geltend gemacht worden. Uebersieht man die Argumente, welche gegen die Authentie der Sendschreiben beigebracht worden sind , so ist zu constatiren, dass eine Reihe der gewichtigsten dem Eindrucke entstammt, es sei unmöglich, die fraglichen Schriftstücke auf das erste Decennium des 2. Jahrh. zu datiren. Es liegt uns fern, die Zuverlässigkeit dieser Eindrücke hier zu erweisen dieselben können trotz der Lückenhaftigkeit unserer Kenntniss des nachapostolischen Zeitalters zu einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erhoben werden.44 Für entscheidend ist sowohl die Polemik gegen die gnostischen Häretiker — dieselbe hat übrigens mit der Warnung vor Ἰουδαϊσμός (Magnesierund Philad.-Brief) nichts gemein (gegen Zahn, a. a. O. S. 356 f.) — als der vorausgesetzte Stand der Kirchenverfassung zu halten. Gerade von hier aus bestimmt sich aber auch der terminus ad quern der Abfassung. Deshalb gilt es auch bei den meisten Historikern mit Recht für ausgemacht, dass die Briefe nicht früher als in den letzten Jahren der Regierungszeit Hadrian’s geschrieben sein können. Indessen diejenigen, die in neuester Zeit dieses Urtheil wiederholt haben, haben den Schein, von einem Vorurtheile geleitet zu sein, nicht vermeiden können. Es ist Z ahn in seiner oben genannten Monographic über die Briefe des Ignatius gelungen, nicht nur manche Einwendungen gegen die Echtheit der Briefe als haltlos aufzudecken, sondern auch eine Reihe von sehr beachtenswerthen Beobachtungen geltend zu machen, welche für die Authentie der Briefe ins Gewicht fallen.55 Dazu wird die von den Briefen vorausgesetzte, angeblich in nachjustinischer Zeit nicht mehr unterzubringende Ordnung des öffentlichen Gottesdienstes nicht zu rechnen sein. Somit erhebt sich die Frage, ob die Angabe der Tradition, der antiochenische Bischof Ignatius sei unter Trajan Märtyrer geworden, begründet sei. Die Verneinung derselben entscheidet nicht wie die Bejahung endgültig über das Problem der Echtheit der Briefe; aber sie 3würde nicht nur zu erneuten Untersuchungen nöthigen, sondern auch einen grossen Theil der gegen die Authentie erhobenen Bedenken mit einem Schlage beseitigen.66 In der altkirchlichen Literatur ist es meistens von untergeordnetem Interesse, den Verfasser eines Buches zu ermitteln, wenn nur die Zeit der Abfassung sicher gestellt ist. Dass diese Regel bei den unter dem Namen des Ignatius überlieferten Briefen nicht zutrifft, daran braucht wohl kaum noch besonders erinnert zu werden.
In der folgenden Untersuchung sollen lediglich die Grundlagen der kirchlichen Tradition über die Zeit des Martyriums des Ignatius geprüft werden.77 Von Vorarbeiten kommt nur die gründliche, in Bezug auf einen Theil der nacheusebianischen Traditionen abschliessende, Untersuchung Zahn’s (a. a. O. S. 1-74) in Betracht. Aus Görres’ (Kaiser Trajan u. die christl. Tradition i. d. Ztschr. f. wissensch. Theol. 1877 S. 35 f.) u. Kraus’ (Theol. Quartalschr. 1873 S. 115 f.) Abhandlungen ist wenig zu lernen. Dagegen ist es beachtenswerth, dass Overbeck (Lit. Centr. Bl. 1874 Nr. 1) sein Urtheil über die Ignatiustraditionen so präcisirt hat: „So möchte die Thatsache, dass Ignatius 2. oder 3. Bischof von Antiochien gewesen, die einzig e sein, von welcher es eine selbständige neben den Briefen bestehende Tradition gegeben zu haben scheint.“ Endlich sei darauf hingewiesen, dass Skworzow (Patrol. Unters. 1875 S. 63 f. S. 96 f.) die Reise des Ignatius unter Anicet setzt. Er nimmt an, dass derselbe nicht als zum Tode verurtheilter nach Rom transportirt worden sei, sondern sich freiwillig dorthin begeben habe, um die Marcioniten zu bekämpfen. Sk. hat auf jedes methodische Beweisverfahren verzichtet. Seine Abhandlung ist ein Conglomerat vieler thörichter und einiger richtiger Einfälle.
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