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Einwand 1: Sie sei nichts als Fatalismus

Die christliche Lehre von der Vorherbestimmung wird oft mit dem Fatalismus gleichgesetzt. Dadurch entsteht kein geringes Missverständnis. Zwischen diesen beiden Anschauungen gibt es tatsächlich nur einen einzigen Punkt der Ähnlichkeit: beide Ansichten sind davon überzeugt, dass alles, was die Zukunft betrifft, völlig feststeht. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Sichten ist aber, dass der Fatalismus keinen Platz für einen persönlichen Gott hat. Die Lehre von der Vorherbestimmung besagt, dass das Künftige geschieht, weil es ein unendlich weiser, mächtiger und heiliger Gott so gefügt und bestimmt hat. Der Fatalismus dagegen sieht als Verursacher nichts als eine blinde, dumpfe, unpersönliche und amoralische Kraft, die von physikalischer Notwendigkeit nicht unterschieden werden kann. Diese Kraft reißt uns mit wie ein mächtiger Strom ein Stückchen Holz mitreißt.

Die Prädestinationslehre besagt, dass Gott von Ewigkeit her einen Plan verfolgt und dass er dafür sorgt, dass dieser Plan in allen Einzelheiten ausgeführt wird — das ist unsere Weltgeschichte. Sie besagt auch, dass alle seine Beschlüsse vernünftig festgelegt und völlig klar durchdacht sind. Er hat ein Ziel festgesetzt, auf das sich die ganze Schöpfung zubewegt. Sie besagt weiter, dass das große Ziel dieses Plans in erster Linie die Herrlichkeit Gottes ist. Das zweite ist das Heil seines Volkes. Der Fatalismus kennt so etwas wie ein letztes Ziel dagegen nicht. Er reißt die Zügel der Herrschaft aus den Händen der unendlichen Weisheit und Liebe und legt sie in die Hände der blinden Notwendigkeit. Der Lauf der Natur und die Erfahrung des Menschen sind nichts als Phänomene einer unwiderstehlichen Macht, gegen die zu kämpfen aussichtslos ist und gegen die zu klagen einen Akt der Infantilität darstellt.

Die Prädestinationslehre tastet weder die Freiheit noch die Verantwortlichkeit des Menschen an. Gott hat die menschliche Freiheit mitten in die Gewissheit hinein gestellt. Der Fatalismus kennt keine Wahlmöglichkeit, keine Selbstbestimmung. Im Fatalismus entziehen sich alle Handlungen der Menschen ihrer Kontrolle, sie sind nichts als von Naturgesetzen bestimmt. Der Fatalismus kennt demzufolge auch keinerlei Moral, während die Prädestinationslehre die Ethik geradezu zum Regelwerk Gottes und des Menschen macht. Der Fatalismus hat keinen Platz für religiöse Anreize; Liebe, Gnade, Heiligkeit, Gerechtigkeit oder Weisheit müssen ihm notwendig fremd bleiben. Die Prädestinationslehre dagegen liefert die stärkste denkbare Basis dafür. Der Fatalismus muss letztlich zu Skepsis und Verzweiflung führen. Nicht so die Prädestination: aus ihr heraus entwickelt sich die Herrlichkeit Gottes und seines Königreiches in all seiner Schönheit erst; sie erst gibt jene unerschütterliche Sicherheit.

Die Prädestination unterscheidet sich vom Fatalismus, wie sich die Handlungen eines Menschen von den »Handlungen« einer Maschine unterscheiden oder wie die Liebe des himmlischen Vaters sich von der Schwerkraft unterscheidet.

»Sie offenbart uns die herrliche Wahrheit, dass sich unser Leben und all unser Fühlen nicht in den riesigen Zahnrädern eines unbarmherzigen Schicksals oder in blindem Zufall befinden, sondern in den Händen eines unendlich guten, weisen und allmächtigen Gottes.«171171     E. W. Smith, The Creed of Presbyterians, S. 167.

Calvin hat sich heftig gegen einen Vergleich der Prädestinationslehre mit dem Fatalismus  gewehrt:

»Das Schicksal ist ein Begriff, der von den Stoikern für ihre Lehre von der Notwendigkeit eingeführt worden ist. Sie haben diese Lehre aus einem Labyrinth widersprüchlicher Vernünfteleien ersonnen; (es ist dies) eine Lehre, die selbst Gott dem Schicksal unterordnet und ihm die Gesetze vorschreibt, nach denen er sich richten muss. Prädestination dagegen definiere ich so, wie ich sie aus den Heiligen Schriften sehe: hier betrifft der freie und ungehinderte Ratschluss Gottes, mit dem er die Menschheit regiert, Menschen und Dinge gleichermaßen; alle Teile dieser Welt unterstehen seiner unendlichen Weisheit und unausforschlichen Gerechtigkeit.  … Hättet ihr meine Bücher genauer gelesen, dann wäret ihr sofort überzeugt gewesen, wie sehr ich den profanen Ausdruck ›Schicksal‹ ablehne: vielmehr hättet ihr gesehen, dass dieser horrende Ausdruck dem Augustin von seinen Feinden in den Mund gelegt worden war.«172172     Calvins Calvinism, The Secret Providence of God, Calvin‘s Calvinism, S. 261, 262. Das Dokument kann unter http://www.the-highway.com/calvin's_calvinism_index.html geladen werden (A. d. Ü.).

Luther sagt, die Tatsache, dass der Fatalismus den Heiden bekannt ist, sei ein Beweis dafür,

»dass im einfachen Volk nicht minder das Wissen um die Vorherbestimmung und das Vorherwissen Gottes als die Gottesvorstellung selbst geblieben ist.«173173     Martin Luther, Vom unfreien Willen (1525).

Der Fatalismus ist in sich unlogisch. Man müsste denken: »Wenn ich heute sterben müsste, dann brauche ich nichts zu essen, denn ich sterbe sowieso. Wenn ich aber noch viele Jahre leben werde, dann brauche ich ab jetzt auch nicht mehr zu essen, da ich ja ohnehin leben werde.« Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass Gottes Vorherbestimmung, dass der Mensch leben wird, einschließt, dass er sich nicht zu Tode hungert. Hamilton sagt:

»Die Prädestinationslehre gleicht dem heidnischen Schicksal nur oberflächlich. Der Christ ist nicht in den Händen eines kalten, unveränderlichen Determinismus, sondern in den Händen eines freundlichen, liebenden, himmlischen Vaters, der ihn so sehr geliebt hat, dass er seinen Sohn für ihn nach Golgatha geschickt hat! Der Christ weiß, dass ›alle Dinge zum Besten dienen denen, die Gott lieben; denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind.‹ Der Christ kann auf Gott vertrauen, weil er weiß, dass Er weise, liebend, gerecht und heilig ist. Er sieht das Ende von Beginn an, so dass er nicht in Panik geraten muss, wenn die Dinge aus dem Ruder zu laufen scheinen.«174174     Boettner gibt die Quelle nicht an.

Nur jemand, der die Prädestinationslehre nicht genau studiert hat oder jemand, der ihr von vornherein negativ gegenübersteht, kann sie mit dem Fatalismus verwechseln! Jemand, der den Unterschied aber kennt, hat keine Entschuldigung mehr, wenn er sie dennoch durcheinander bringt!

Das Universum ist eine Einheit mit System — das geht nicht ineins mit dem Fatalismus, der mit Geist, Verstand, Ziel und Zweck nichts am Hut hat. Die biblische Lehre der Prädestination sagt klar: Gott hat alle Dinge geschaffen, seine Vorsehung umfasst alle seine Werke und er hat uns als freies Wesen selbst zu freien Wesen gemacht — innerhalb unserer natürlichen Grenzen. Unsere Lehre von der Prädestination ist nicht nur nicht mit dem Fatalismus zu verwechseln, sondern ist sogar ihr absolutes Gegenteil und einzige Alternative.


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