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4) Gottes »Parteilichkeit« im Lichte seiner Souveränität und seiner Gnadengaben
Es wäre falsch, zu sagen, Gott sei denen gegenüber ungerecht, die sein Plan nicht zum Heil vorsieht. Dieser Einwand sollte bedenken, dass Gott es nicht einfach mit Geschöpfen zu tun hat, sondern mit sündigen Kreaturen, die jeden »Anspruch« auf seine Gnade verloren haben. Augustin hat sehr schön gesagt:
»Die Verdammnis ereilt die Sünder gerechterweise wegen ihrer Schuld und ihrer Verfehlungen; die Gnade wird den Begnadigten aber völlig unverdient gewährt, so dass der verdammte Sünder nicht sagen kann, er habe seine Strafe nicht verdient, wie ebenso auch der Heilige keineswegs in irgendeiner Weise stolz darauf sein dürfte, als habe er die Gnade verdient. All dies zeigt: Es gibt kein Ansehen der Person. Die Verdammten und die Erlösten sind ursprünglich aus dem selben Klumpen; beide sind sündig und der Vergeltung verfallen. Die Gerechtfertigten sollen im Hinblick auf die Gefallenen lernen: Auch sie gehörten eigentlich zu ihnen, wenn die göttliche Gnade nicht für sie eingetreten wäre.«204204 Boettner gibt die Quelle nicht an.
Calvin kommt zum gleichen Schluss, wenn er sagt:
»Der Herr gewährt Gnade, wem er will, weil er barmherzig ist; er gewährt sie jedoch nicht jedermann, eben weil er ein gerechter Richter ist. Er gewährt denen Gnade, die sie niemals verdienen, während er mit der Verweigerung der Gnade nur erklärt, dass man sie eben nicht verdient.«205205 Boettner gibt die Quelle nicht an.
Parteilichkeit, wie unsere Gegner das Wort verstehen und verwenden, ist freilich im Reich der Gnade ausgeschlossen. Parteilichkeit gibt es nur im Bereich der Gerechtigkeit, eben dort, wo die Betroffenen gewisse Ansprüche und Rechte haben. Wir mögen dem einen Bettler etwas geben, was wir dem anderen vorenthalten, denn wir schulden weder dem einen etwas noch dem anderen. Das Gleichnis mit den Talenten illustriert die Lehre der göttlichen Souveränität sehr klar: Die verteilten Gaben sind völlig unverdient — und die Erneuerung des Menschen ist wohl eines der größten unverdienten Geschenke überhaupt.
Die zentrale Aussage des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg ist Gottes Souveränität in der Verteilung seiner Gaben. Er kann zum Geretteten wie zum Verlorenen sagen: »Freund, ich tue dir kein Unrecht; … Oder darf ich mit meinem Eigentum nicht machen, was ich will? Bist du etwa neidisch, wenn ich (zu anderen) gütig bin?« (Mt 20,15-15). In Bezug auf Mose heißt es: »Ich erbarme mich, wessen ich mich erbarmen will, und ich habe Mitleid, mit dem ich Mitleid haben will. Somit kommt es nicht auf das eigene Wollen oder Laufen an, sondern auf Gottes Erbarmen. So sagt die Schrift zu Pharao: ›Gerade dazu habe ich dich erweckt, um an dir meine Macht zu zeigen, damit mein Name auf der ganzen Erde verkündet werde.‹ So erbarmt er sich, wessen er will, und er lässt verstockt sein, wen er will« (Röm 9,15ff). Einigen gegenüber ist er gnädig, den anderen gegenüber gerecht — alle werden sie zu Seiner Herrlichkeit beitragen. Es ist, wie wenn ein Mensch seine Almosen verteilt: Dem einen gibt er etwas, dem anderen nicht. Genauso kann Gott seine Gnade, dieses himmlische Geschenk, gewähren, wem er will. Es liegt im Wesen der Gnade, immer Geschenk zu sein. Dass sie so ungleich gewährt wird, zeigt gerade, wie unverdient sie ist. Wenn auch nur einer ein Recht auf sie hätte, wäre sie schon keine Gnade mehr, sondern wäre etwas Geschuldetes. Wenn man Gott seiner Souveränität in dieser Sache beraubt, dann wird die Erlösung für jedermann zu einer Sache des Anspruchs.
Zehn Mann schulden einem bestimmten Geldgeber tausend Dollar. Der Geldgeber erlässt nun aus uneinsichtigen Gründen sieben Männern ihre Schuld, nicht aber den drei anderen. Haben denn diese drei Männer ein Recht, sich zu beklagen? Wenn drei Mörder zum Tod durch den Strang verurteilt werden, zweien von ihnen jedoch Gnade gewährt wird — vielleicht stellt sich heraus, dass sie zu Kriegszeiten ihrem Land einen besondern Dienst erwiesen hatten — macht dies die Vollstreckung der Todesstrafe am Dritten deswegen ungerecht? Selbstverständlich nicht: In seinem Fall mag es keinerlei Gründe geben, ihn nicht der Todesstrafe zu überantworten. Wenn es schon nicht ungerecht ist, wenn ein irdischer König so verfährt, wie sollte es dann ungerecht sein, wenn der souveräne Herr gegenüber seinen rebellischen Geschöpfen nicht anders verfährt?
Wenn alle Menschen die Strafe verdienen, wie kann man Gott dann ungerecht nennen, wenn er eben nur einen Teil davon bestraft — noch dazu einen vergleichsweise kleinen Teil? Warburton hat ein anschauliches Beispiel gebracht: Eine Dame geht in ein Waisenhaus und adoptiert ein ganz bestimmtes Kind.
»Sie könnte auch andere Kinder ausgewählt haben — die Mittel dazu hat sie — aber sie wählte eben dieses eine Kind. Ist sie etwa ungerecht? Ist sie ungerecht, weil sie einem Kind die Sicherheit und den Komfort ihres eigenen Heims bietet? Ist denn das nicht ihr unbestrittenes Recht? Wenn die anderen Kinder nun zu Gossenkindern werden, weil sie nur dieses eine Kind ausgewählt hat, wo ist da ihre Schuld? … Hat man je davon gehört, dass ein Gericht jemanden wegen einer solchen Tat verurteilt hätte? Wird ein solcher Mensch nicht vielmehr geachtet und gelobt? Spricht man nicht in höchsten Tönen von seiner Liebe und seinem Mitleid? Und weshalb? Warum verurteilt man ihn nicht, weil er sich ein Kind aus einem Waisenhaus geholt hat und die anderen zurückgelassen hat? Warum beschwert man sich nicht darüber, welch Ungerechtigkeit es sei, all die anderen Kinder zurückgelassen zu haben? … Der Grund dafür ist einfach: Alle Kinder befinden sich in der gleichen Notlage; keines hat auch nur die geringsten Ansprüche darauf, Gefallen zu finden bei dem, der es nach seinem Wohlgefallen adoptieren könnte … Wo ist da der Unterschied, wenn auch Gott sich erwählt, wen Er will? Hat etwa ein Findlingskind Anspruch darauf, dass man es adoptiert? Genauso wenig hat der gefallene Mensch Anspruch darauf, dass Gott ihn erlöst; Gottes Wahl ist daher völlig frei, unverdient und gerecht. Gottes Vorauswahl ist unverdient und frei, und sie ist es angesichts der Selbstverschuldung des Menschen. Nicht mehr und nicht weniger ist es, was die calvinistische Lehre der Prädestination aussagt.«206206 Boettner gibt die Quelle nicht an.
Da das Opfer Christi von unendlichem Wert ist, mögen wir zunächst annehmen, Gott hätte doch alle Menschen erretten sollen. Doch wollte er offenbar ein ewiges Beispiel nicht nur seiner Gnade, sondern auch seiner Gerechtigkeit aufrichten. Wenn jeder gerettet worden wäre, dann hätte man nie gesehen, wie schlimm die Sünde ist und welche Strafe sie eigentlich verdient. Wenn niemand gerettet worden wäre, dann hätte man auch niemals gesehen, was Gottes Gnade bedeutet. Darüber hinaus wird die Kostbarkeit der Gnade gerade erst in ihrer Exklusivität sichtbar, freilich nur jenen, denen sie gewährt wird. Letztlich wird man sagen dürfen: Die Größe des Plans zeigt sich vielleicht gerade darin, dass Gott einige Menschen ihrer Wege in das Verderben gehen lässt, damit generell sichtbar wird, welch schrecklich Ding es ist, der Feind Gottes zu sein.
Man könnte nun fragen: Was ist das Schicksal des Nicht-Erwählten, der in seinen Sünden belassen wird und ewige Strafe erleiden muss, ja, der nicht einmal die Möglichkeit hat, das Königreich Gottes zu sehen? Wir antworten darauf mit der Lehre von der Erbsünde. Adam hätte als Stellvertreter der ganzen Menschheit die Möglichkeit gehabt, errettet zu werden, doch er hat diese Möglichkeit verspielt. Die Rechtfertigung der Erwählten wie das Übergehen der Verlorenen muss im Lichte der Tatsache gesehen werden, dass »alle gesündigt haben und der Herrlichkeit Gottes ermangeln.« Zweifellos gibt es die allerbesten Gründe für Gottes Wahl, doch sind uns diese Gründe nicht offenbart. Wir wissen nur, dass kein einziger Verlorener seine Strafe unverdient verbüßen wird. In dieser Welt genießen sie der Güter Gottes oft in noch größerem Maße als die Auserwählten. Sowohl Gewissen wie auch Erfahrung sagen uns, dass wir Angehörige einer gefallenen Menschheit sind. Jeder, der verlorengeht, weiß, dass er selbst daran schuld ist. Darüber hinaus: Wenn alle Menschen aufgrund einer gerechten Handlung Gottes in ihre gegenwärtige Verlorenheit und in ihren ruinösen Zustand gelangt sind — und wer wollte dies bestreiten? —, dann könnten sie völlig gerechterweise ihrem Schicksal überlassen bleiben. Es wäre ja absurd zu sagen, sie haben zwar nichts anderes verdient als ewiges Elend, doch sei es ungerecht, wenn sie dieses Elend nun auch erleiden müssten, denn das wäre nichts anderes, als wolle man sagen, die Ausführung einer gerechten Verurteilung sei ungerecht. Man mag noch hinzufügen, dass der Mensch in seinem gefallenen Zustand keinerlei Verlangen nach Erlösung207207 Boettner meint die Erlösung durch Jesus Christus, denn dass der Mensch seit jeher Verlangen nach Erlösung hat, wird niemand bestreiten wollen, da das Phänomen Religion ohne diesen Gedanken unsinnig wäre (A. d. Ü.). hat, und an genau dieser Masse »übt Gott Barmherzigkeit, an wem er will und verhärtet auch, wen er will.« Das ist die durchgängige Lehraussage der Schrift. Wer dies leugnet, der leugnet das Christentum selbst und stellt Gottes Herrschaft der Welt in Frage.
Niemand wird bestreiten, dass wir selbst höchst »parteiisch« zu sein pflegen: Wir behandeln unsere Familienmitglieder und Freunde ganz besonders, obgleich sie es nicht mehr oder weniger verdient haben als alle anderen Menschen. Es folgt aber daraus keineswegs, dass wir alle Menschen so behandeln müssten. Genau dies aber verlangt der Arminianismus vom Allerhöchsten: Er muss seine Freigiebigkeit wie aus einer Staatskasse an alle verteilen.
»Sollte ich das zehntausend Pfund schwere Geschenk eines Freundes zurückweisen und ihn damit beleidigen, nur weil er dieses Geschenk nicht auch meinem Nachbarn macht?«, fragt Toplady.
Wenn uns jemand sagt, die Prädestinationslehre habe mit »Parteilichkeit« zu tun, dann stimme ich gerne zu. Aber ich leugne, dass diese »Parteilichkeit« ungerecht sei.
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