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Grundriss der Systeme
Es gibt nur drei Gedankengebäude, die behaupten, einen Weg zur Errettung des Menschen durch Christus darlegen zu können:
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Der Heilsuniversalismus lehrt, Christus sei für alle Menschen gestorben und es werden letztlich auch alle Menschen gerettet werden, entweder in diesem Leben oder auch in einer zukünftigen Zeit der Bewährung. Diese Sichtweise mag uns am sympathischsten sein, ist aber unbiblisch und wurde niemals von irgend einer anerkannten Kirche vertreten.
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Der Arminianismus lehrt, dass Christus unterschiedslos für alle Menschen gestorben sei — auch für jene, die schließlich verlorengehen; Erwählung sei kein ewiger und unbedingter Akt Gottes; die rettende Gnade werde jedem Menschen angeboten, und diese Gnade könne er annehmen oder ablehnen. Weiter behauptet der Arminianismus, ein Mensch könne der erneuernden Gnade des Heiligen Geistes widerstehen, wenn es ihm beliebe. Der errettenden Gnade könne widerstanden werden; jene, die Gott geliebt hat, die Christus errettet hat und die der Heilige Geist wiedergeboren hat — das möge Gott freilich verhindern! — können wieder abfallen und ewig verlorengehen.4646 Im deutschsprachigen Raum gibt es einige Mischformen; die Verlierbarkeit des Heils wird von vielen Evangelikalen bestritten. Ein reiner Arminianismus findet sich etwa bei den Siebenten-Tags-Adventisten und verschiedenen Heiligungsbewegungen (A. d. Ü.).
In seiner radikalen und entwickelteren Form ist der Arminianismus wesentlich nichts anderes als der Pelagianismus — eine Art der Selbsterlösung. Tatsächlich können die Wurzeln des Arminianismus bis zum Pelagianismus zurückverfolgt werden, genauso wie die Wurzeln des Calvinismus auf Augustinus zurückgeführt werden können. Vielleicht sollte er sogar mit mehr Recht »Pelagianismus« genannt werden, da seine Prinzipien schon etwa 1200 Jahre vor Arminius festgestanden haben. Der Pelagianismus leugnet die menschliche Verderbtheit und in Folge die Notwendigkeit der wirksamen Gnade und hebt damit den menschlichen Willen über den Willen Gottes.
»Seine Lehren schmecken dem natürlichen Menschen besser, der ganz natürlicherweise die Lehre von der totalen Verderbtheit des Menschen hasst. Der Mensch kann demnach heilig werden, ja sogar sündlos; er kann sich Gottes Gnade sichern und die Errettung aus eigenem Willen annehmen — diese Lehre hat viele angezogen, und sie tut es auch heute noch vielfach.4747 Ben A. Warburton, Calvinism, S. 11.
Im besten Fall ist der Arminianismus der etwas vage und unbestimmte Versuch einer Versöhnung; er schwebt irgendwo zwischen den scharf abgegrenzten Gedankengebäude des Pelagius und Augustins. Er glättet die Kanten beider Systeme und neigt einmal mehr zu diesem, das andere mal mehr zum anderen. Dr. A. A. Hodge spricht in diesem Zusammenhang von einem »mannigfaltigen und elastischem System von Kompromissen«. Das Leitmotiv dabei ist, dass die göttliche Gnade mit dem menschlichen Willen zusammen sowohl Bekehrung als auch Heiligung bewirke; der Mensch allerdings behalte das souveräne Recht, anzunehmen oder abzulehnen. Der Arminianismus gibt die Schwäche des Menschen als Folge des Sündenfalls wohl zu, er leugnet aber, dass dem Menschen dadurch jegliche Fähigkeit verloren gegangen ist, sich Gott zuzuwenden. Der Mensch brauche also nur etwas göttliche Gnade, die seinen eigenen Bemühungen zu Hilfe kommen müsse. Anders gesagt: Der Mensch ist krank, aber nicht tot, er kann sich zwar nicht selbst helfen, kann aber die Hilfe eines Mediziners in Anspruch nehmen und die angebotene Hilfe annehmen oder ablehnen. Somit hat er die Macht der Kooperation, wenn denn Gottes Gnade ihm zu Hilfe kommt. Diese Sichtweise erhöht den Willen des Menschen auf Kosten der Souveränität Gottes. Sie fußt auf einigen scheinbaren (aber falsch interpretierten) Stützbelegen aus der Schrift und widerspricht ganz klar anderen Teilen der Heiligen Schrift.
Die Geschichte zeigt klar: Der Arminianismus neigt zum Kompromiss; er verliert allmählich die evangelische Basis.4848 James Montgomery Boice und Philipp Graham Ryken haben in ihrem Buch „The Doctrines of Grace. Rediscovering the Evangelical Gospel“ ausführlich gezeigt, dass der Arminianismus oft ein Zwischenschritt vom evangelischen Glauben zum Atheismus (!) darstellt. Das Buch ist im Betanien-Verlag unter dem Titel „Die Lehren der Gnade“ erschienen (http://www.betanien.de; A. d. Ü.). Bis heute existiert konsequenterweise kein logisch in sich geschlossenes Lehrmodell der arminianischen Theologie. Zwar hat die Methodistische Kirche ein kurzes, informatives Bekenntnis mit ca. 25 Artikeln; der Kontrast zwischen dieser Erklärung und dem sorgfältig ausgearbeiteten Westminster-Bekenntnis tritt jedoch klar zutage.
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Das dritte Lehrgebäude, das die Errettung durch Christus darlegt, ist der Calvinismus. Der Calvinismus lehrt, dass aufgrund des Sündenfalles alle Menschen schuldig, verderbt und hoffnungslos verloren sind. Aus dieser gefallenen Menschheit erwählt der souveräne Gott einige Menschen, die er durch Christus erretten will, während er die anderen übergeht. Christus ist gesandt, Sein Volk zu erretten, und zwar mit einem rein stellvertretendem Opfer. Der Heilige Geist stiftet den Erwählten diese Errettung wirksam ein. Alle Erwählten gelangen sicher zur ewigen Errettung.4949 Das ist kein blinder Dynamismus à la „Once Saved — Ever Saved“; es ist keine statische, sondern eine dynamische Erlösung, wie John Piper in seinen ausgezeichneten Vorträgen über die calvinistischen Prinzipien darlegt (http://www.desiringgod.org/Search/?search=TULIP&x=0&y=0; A. d. Ü.). Diese Sicht allein deckt sich mit der Schrift und mit unserer Erfahrung. Der Calvinismus behauptet, der Fall des Menschen lasse den Menschen ohne jede Fähigkeit, etwas zu seinem Heil beizutragen; er ist vollkommen abhängig von der Gnade Gottes, die das Inkrafttreten und die Entwicklung des geistlichen Lebens bewirkt. Der Hauptfehler des Arminianismus ist, dass er Gottes Handeln bei der Errettung nicht genügend erkennt. Er liebt es, die Würde und Kraft des Menschen zu bewundern. Der Calvinismus dagegen verliert sich in der Anbetung der Gnade und Allmacht Gottes. Er unterwirft den Menschen zuerst einmal der übernatürlichen Macht. Der Arminianismus schmeichelt dem natürlichen Stolz; der Calvinismus ist ein Evangelium für schuldige Sünder. Das, was den Menschen aus seiner eigenen Sicht erhebt und seine Einbildungskraft kitzelt, ist dem natürlichen Herzen lieber als das, was ihn herabsetzt, und deshalb ist der Arminianismus heute wesentlich populärer. Doch der Calvinismus ist näher an den Tatsachen, so rau und unbegreiflich diese Fakten auch sein mögen.
»Die heilende Medizin ist nicht immer die schmackhafteste schmackhafteste. Die Erfahrung des Apostels Johannes, dass das kleine Buch im Mund zwar süß schmeckt, im Bauch jedoch zwickt, kann jeden Tag gemacht werden. Der gekreuzigte Christus war den einen ein Stolperstein, den anderen Torheit; dennoch war und ist Er die Kraft Gottes gemäß Seiner Weisheit zum Heil allen, die an Ihn glauben.«5050 McFetridge, „Calvinism in History“, S. 136.
Die Menschen betrügen sich ständig; sie setzen ihre eigenen Gefühle und Meinungen als moralische Axiome voraus. Manchen ist es selbstverständlich, dass ein heiliger Gott Sünde nicht erlauben kann; daraus schließen sie: Gott existiert nicht. Anderen gilt es als ausgemacht, dass kein barmherziger Gott es zulassen könne, dass ein Teil seiner Geschöpfe Oper ihrer Sünden und ihres Elend bleiben müssen, daher leugnen sie die Lehre der ewigen Verdammnis. Wieder andere unterstellen: Die Unschuldigen können nicht gerechterweise aufgrund der Sünde eines anderen gerichtet werden, daher leugnen sie die stellvertretende Eigenschaft des Opfers Christi, das sie sonst in Anspruch zu nehmen hätten. Für wieder andere ist es ausgemachte Sache, dass die freien Handlungen freier Menschen nicht im Voraus feststehen können, daher leugnen sie die Vorherbestimmung oder sogar das Vorherwissen solcher menschlichen Akte. Wir sind jedoch nicht frei, ein System nach unserem Geschmack zu entwickeln. Daher sagt Dr. Charles Hodge, ein eifriger und kompromissloser Verfechter des Calvinismus:
»Die Frage, welches dieser Systeme der Wahrheit entspricht wird nicht im Hinblick auf unsere Gefühle oder unser Verständnis beantwortet, sondern beruht einzig und allein auf den durchgängigen Lehren der Bibel und den erfahrungsmäßigen Tatsachen. … Es ist die Pflicht jedes Theologen, seine Theorien der Bibel unterzuordnen und nicht zu lehren, was ihm selbst wahr oder vernünftig scheint, sondern genau das zu verkünden, was die Bibel lehrt.«
An einer anderen Stelle sagt er:
»Die Kontroverse käme an kein Ende, ließe man persönliche Überzeugungen einzelner Geister bestimmen, was wahr ist und was nicht und was die Bibel lehren darf und was nicht.«5151 Charles Hodge, „Systematic Theology“, Bd. 2, S. 356, 559, 531.
Die Bibel legt weder die Lehren des Calvinismus noch die aller anderen christlichen Systeme systematisch und in umfassender Weise dar. Die Bibel ist kein Buch der systematischen Theologie, sondern der Steinbruch, aus dem der Tempel Stein für Stein aufgebaut werden muss. Anstatt uns eine formalisierte Aussage über ein theologisches System zu geben, bietet sie uns massenweise Rohmaterial an, das organisiert, systematisiert5252 Es ist mitunter dem aggressiven Antiintellektualismus zu verdanken, dass der Irrationalismus so großen Einfluss auf unsere gängige Theologie hat gewinnen können. Der durchschnittliche Christ streckt jeder Systematisierung abwehrend die Hände entgegen; er spricht vom „Herz“ und nicht vom „Kopf“ — einer völlig unbiblischen Vorstellung übrigens, da die Bibel den Menschen als Einheit sieht und im Gegensatz zum Durchschnittschristen keine klinisch-psychologische Trichotomie (Verstand/Wille/Emotion) voraussetzt (A. d. Ü.). und nach zusammengehörigen Relationen gegliedert werden muss. Wir finden zum Beispiel nirgends eine direkte Aussage der Lehre der Dreieinigkeit oder der Persönlichkeit des Heiligen Geistes oder auch der Inspiration der gesamten Heiligen Schrift. Die Bibel berichtet uns über den Ursprung der hebräischen Völker und des Christentums; die Lehraussagen werden mit wenig Rücksicht auf theologische Systeme verkündet. Die Fakten müssen erst in ein logisches System eingebunden und klassifiziert werden, aus dem dann die einzelnen Theologien entstehen können. Der Umstand, dass das Material der Bibel nicht theologisch gegliedert ist, stimmt genau mit der Vorgehensweise Gottes in anderen Bereichen überein: Er hat uns auch kein voll entwickeltes System der Biologie, Astronomie oder der Politik gegeben. Wir finden zuerst einfach Fakten in der Natur und in der Erfahrung, aus denen wir dann nach bestem Wissen Systeme erstellen. Da wir die Lehraussagen der Schrift nicht als fertiges theologisches System antreffen, ist auch die Gefahr falscher Interpretation größer.
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