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Gottes Souveränität
Jeder einigermaßen vernünftige Mensch kann erkennen, dass sein Leben in gewissen vorgezeichneten Bahnen verläuft. Er ist nicht gefragt worden, ob er zu Welt kommen will; auch nicht wann, wo, oder als was er geboren werden möchte; ob im zwanzigsten Jahrhundert oder vor der Sintflut; ob als Weißer oder als Schwarzer; ob in Amerika oder in China. Christen aller Zeitalter haben zugegeben: Gott ist der Schöpfer und Herrscher des Universums und damit die letzte Ursache für alle Macht, die in seiner Schöpfung existiert. Es kann also nichts ohne seinen souveränen Willen geschehen. Wenn wir auf diese Wahrheit bauen, dann werden wir folgern müssen: Diese eine Wahrheit führt zu Überlegungen, die die calvinistische Sichtweise aufrichten und die arminianische Sicht2525 Der Gegensatz dieser beiden Sichtweisen lässt sich überspitzt so formulieren: Der Arminianismus hält Gott tatsächlich „nur“ für potentiell allmächtig: „Gott kann“, so könnte man sagen. Er kann „eingreifen“, wenn er will. Der Calvinismus dagegen sieht im Verwehen des kleinsten Staubkörnchens noch Gott in actu. Gott kann nicht nur „eingreifen“; alles ist sein „Eingreifen“, da nichts geschehen hat, was er nicht bestimmt hat. Logisch zu Ende gedacht führt der Arminianismus — ohne dass das seinen Verfechtern bewusst sein müsste — zwangsläufig zur Kontingenz, zur Möglichkeit des Zufalls. Dass der Arminianismus dabei expressis verbis die Möglichkeit von Zufällen bestreitet, tut dem keinen Eintrag (A. d. Ü.). widerlegen.
Da die gesamte Schöpfung aus Gottes Hand ist, ist er der absolute Eigentümer und Dirigent seiner Schöpfung. Gott übt nicht etwa nur einen generellen Einfluss aus, sondern beherrscht die Welt vollkommen, die er geschaffen hat. Die Nationen dieser Welt in ihrer Ignoranz sind — verglichen mit seiner Größe — nichts als Staub auf der Waage; eher könnte man die Sonne in ihrem Lauf stoppen, als dass man Gottes Handeln oder Willen hindern könnte. Mitten in all den offensichtlichen Niederlagen und Widersprüchen des Lebens führt Gott seinen Willen ungestört aus. Sogar die sündigen Taten der Menschen können nur mit seiner Erlaubnis geschehen. Nichts geschieht gegen seinen absoluten Willen, sondern alle Dinge müssen sich seinem Willen beugen — dazu gehören auch alle Handlungen und die Bestimmung der Menschen — daher müssen diese Dinge in irgendeiner Weise mit seinen Zwecken übereinstimmen. Wer dies verneint, spricht Gott die Weltherrschaft ab. Freilich entbehrt dieser Sachverhalt nicht einiger Verständnisprobleme. Diese sind aber auf unseren unvollkommenen Verstand zurückzuführen; es entsteht kein ausreichender Grund, zu leugnen, was die Schrift an vielen Stellen bezeugt und was auch klar und unmissverständlich der Logik entspricht.
Wenn die Macht eines irdischen Königs in seinem Königreich Gesetz ist, wie viel mehr ist es dann nicht Gottes Wort in seinem Reich? Der Christ weiß: Jener Tag wird sicher kommen, an dem sich alle Knie beugen werden und jede Zunge bekennen wird, dass Christus zur Ehre Gottes des Vaters unerachtet jemandes Zustimmung der Herr ist. Dieser Gott tritt uns aus der Schrift als der Allmächtige entgegen, der auf seinem Thron sitzt und universale Herrschaft übt. Er kennt das Ziel von Anfang an und weiß genau, welche Mittel er einsetzen will, um dieses Ziel zu erreichen. Weit über Bitten und Verstehen weiß er uns Gutes zu tun. Die Kategorie des Unmöglichen hat keine Bedeutung für den, »dem alle Dinge möglich sind« (Mt 19,26; Mk 10,27). Das bedeutet aber freilich nicht, dass Gott in der Lage ist, gegen sein Wesen zu handeln oder etwas zu tun, was in sich widersprüchlich ist. Gott kann nicht lügen oder etwas gegen sein eigenes Gesetz tun. Er kann nicht bewirken, dass zwei und zwei fünf geben oder dass sich ein Rad dreht, während es stillsteht. Seine Allmacht garantiert den willensgemäßen Ablauf der Welt, so wie seine Heiligkeit garantiert, dass all sein Tun rechtens ist. Die Lehre von der Souveränität Gottes findet sich durchgängig im AT wie auch im NT. Dr. Warfield schreibt dazu:
»Dem allmächtigen Schöpfer kann nicht widerstanden werden in allem, was Er tut; Jahwe sitzt als König für immer (Ps 29,10). Er zeigt, dass die Schreiber der Heiligen Schrift selten Aussagen machen wie ›es regnet‹, nein, sie sprechen davon, dass Gott den Regen sendet usw. Die Möglichkeit von Zufällen wird ausgeschaltet; sogar das Los war ein anerkanntes Mittel, die Entscheidung Gottes sichtbar zu machen (Jos 7,16; 14,2; 18,6; 1 Sam 10,19; Jona 1,7). Alles ohne jede Ausnahme verfügt Er, und Sein Wille steht hinter allem, was sein kann. Himmel und Erde und alles, was sie enthalten, sind Mittel, durch welche Er sein Ziel erreicht. Die Natur, die Völker und auch die Schicksale der Individuen sind gleicherweise und in all ihren Veränderungen das Sichtbarwerden seiner Absicht. Winde macht Er zu seinen Boten, Feuer zu Seinen Dienern: Jedes Naturereignis ist Sein Handeln; Wohlstand ist eines seiner Geschenke, und wenn jemandem ein Unglück widerfährt, so ist es Gott, der es gesandt hat (Amos 3,5.62626 »Gerät auch ein Vogel in die Falle am Boden, wenn ihm kein Köder gelegt worden ist? Schnellt wohl die Falle vom Erdboden empor, obwohl sie gar nichts gefangen hat? Kann man in das Horn stoßen in der Stadt, ohne dass das Volk erschrickt? Geschieht auch ein Unglück in der Stadt, das nicht der Herr gewirkt hat?« ; Klgl 3,33—382727 » … denn nicht aus Lust plagt und betrübt Er die Menschenkinder. Wenn alle Gefangenen eines Landes mit Füßen getreten werden, wenn das Recht eines Mannes gebeugt wird vor dem Angesicht des Höchsten, wenn die Rechtssache eines Menschen verdreht wird — sollte der Herr es nicht beachten? Wer hat je etwas gesagt und es ist geschehen, ohne dass der Herr es befahl? Geht nicht aus dem Munde des Höchsten hervor das Böse und das Gute?« ; Jes 47,72828 »Wie sollte es aber ruhen? Hat doch der Herr es beordert, gegen Askalon und gegen die Meeresküste, dorthin hat er es bestellt.« ; Pred. 7,142929 »Am guten Tag sei guter Dinge, und am bösen Tag bedenke: Auch diesen hat Gott gemacht gleichwie jenen — wie ja der Mensch auch gar nicht herausfinden kann, was nach ihm kommt.« ; Jes 54,163030 »Siehe, ich habe den Schmied gemacht, der das Kohlenfeuer anbläst und eine Waffe hervorbringt nach seinem Handwerk; und ich habe auch den Zerstörer gemacht, um zu vernichten.« ). Er lenkt die Schritte der Menschen, ob sie es wollen oder nicht; Er ist es, der hochkommen und zu Fall kommen lässt, der Herzen öffnet oder verstockt, Er lässt die Gedanken und Absichten der Seele hervorkommen.«3131 B. B. Warfield, „Biblical Doctrines, Art. Predestination“, S. 9.
Sollen wir daran zweifeln, dass Gott einen Sünder bekehrt, wenn es ihm so gefällt? Kann denn der Allmächtige, der allmächtige Beherrscher des Universum nicht auch den Charakter seiner Geschöpfe ändern? Er hat in Kana Wasser in Wein verwandelt und Saulus auf der Straße nach Damaskus verwandelt. Der Aussätzige sagte: »Herr, wenn du es willst, kannst du mich reinigen«. Durch ein einziges Wort Jesu wurde er dann auch rein. Gott kann Seele und Körper reinigen, und wir glauben: Wenn er sich entschließt, das zu tun, dann könnte er eine solche Anzahl an Missionaren, Geistlichen und christlichen Arbeitern jeglicher Couleur auf den Plan rufen, dass sich die Erde in kürzester Zeit bekehren würde. Wenn es wirklich seinen Zielen entspräche, alle Menschen zu erretten, könnte er Heerscharen an Engeln senden, die auf übernatürliche Art und Weise auf Erden tätig würden. Er könnte auf wundervolle Weise die Herzen der Menschen so verändern, dass niemand mehr verlorenginge. Da das Böse nur mit Seiner Erlaubnis geschieht, könnte er es auch vollkommen vernichten. Diese seine Macht war sichtbar, als der Engel des Herrn in einer Nacht alle erstgeborenen Ägypter erschlug (2 Mo 12,29), in einem anderen Fall die 185.000 Mann starke assyrische Arme (2 Kön 19,35). Seine Macht zeigte sich, als sich die Erde öffnete und den Korah samt den rebellischen Anhängern verschlang (4 Mo 16,31—33). Ananias und Saphira sind geschlagen worden (Apg 5,1—11); Herodes wurde geschlagen und starb eines schrecklichen Todes (Apg 12,23). Gott hat nichts von seiner Macht eingebüßt, und es verunehrt ihn, wenn man glaubt, jetzt kämpfe er um die menschliche Rasse, könne aber mit den meisten Menschen sein Ziel doch nicht erreichen.
Obwohl Gottes Souveränität universal und absolut ist, ist sie keine Souveränität einer blinden Macht. Sie ist gepaart mit unendlicher Weisheit, Heiligkeit und Liebe. Wenn diese Lehre richtig verstanden wird, trägt sie sehr viel zu Geborgenheit und Trost bei. Wer würde nicht vorziehen, sein Schicksal in den Händen eines allmächtigen, weisen, heiligen und liebenden Gottes zu wissen, statt es blindem Naturglauben, dem Schicksal, den Naturgesetzen oder gar seinem kurzsichtigen und pervertierten Selbst zu überlassen? Die, die Gottes Souveränität ablehnen, sollten die Alternative bedenken! Der Lauf des Universums wird also gelenkt und kontrolliert, aber wie? »Nach dem Vorsatz dessen, der alle Dinge nach dem Ratschluss seines Willens lenkt« (Eph 1,11). Heute tendiert man dazu, die Lehre von der göttlichen Souveränität und der Prädestination zu missachten, damit man die Selbstbestimmung des Menschen an diese Stelle setzen kann. Menschlicher Stolz und Einbildung auf der einen Seite, auf der anderen Seite seine Unwissenheit und Verderbtheit — das bringt ihn dazu, Gott auszuschließen und sich selbst zu erhöhen; diese beiden Tendenzen haben wesentlich dazu beigetragen, den größten Teil der Menschen vom Calvinismus abzubringen.
Die arminianische Sichtweise nimmt an, die ehrlichen Absichten Gottes in gewisser Weise zunichte machen zu können; dass der Mensch, der nicht nur Schöpfung ist, sondern sündige Kreatur, eine Art Vetorecht gegen die Pläne des allmächtigen Gottes haben könne.3232 Dies ist tatsächlich die Ansicht der meisten Arminianer: Gott will zwar, dass alle Menschen errettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen sollen, kann das aber nicht erreichen, weil der »freie Wille« (ich möchte lieber sagen: der neutrale Wille) des Menschen diesem Ziel entgegenstehe. An diesem »freien Willen« muss der allmächtige Wille Gottes letztlich scheitern, der er den »freien Willen« des Menschen mehr achte als seinen eigenen, demnach er will, dass alle Menschen errettet werden. Auch wenn der Arminianismus dies niemals mit diesen Worten sagt (in der Tat gibt es eine Vielzahl von ausweichenden Formulierungen), trifft das seine Ansicht der Sache nach ganz genau. Ich selbst war lange Zeit eifriger Anhänger der arminianischen Lehre, kenne die Ansicht also quasi »von innen« (A. d. Ü.). Dies aber widerspricht der Lehre der Schrift, die Gott über alle Schwachheit der Menschen erhaben sein lässt. Dass der Mensch sein Ziel nicht immer erreicht, liegt ganz einfach daran, dass ihm dazu oft die Macht fehlt oder auch die Einsicht, wie er sein Ziel erreichen könne. Gott dagegen kennt solche Unzulänglichkeiten nicht; nichts Unvorhergesehenes kann ihm begegnen, und Zufälle sind ganz ausgeschlossen. Wenn man nun annimmt, er kämpfe manchmal vergeblich und erreiche seinen Plan nicht, so reduziert man ihn auf die Ebene seiner Geschöpfe!
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