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Die Heilige Schrift ist die Autorität, anhand deren theologische Lehrgebäude geprüft werden müssen
Bei allen Streitfragen unter Christen zählt die Bibel als letzte Instanz. Sie ist sozusagen der »oberste Gerichtshof«. So war es von Anfang an. Wir glauben, dass sie ein harmonisches und hinlänglich ausreichendes Lehrsystem umfasst; jeder ihrer Teile korrespondiert mit allen anderen. Es ist unsere Pflicht, diese Zusammenhänge mittels sorgfältiger Untersuchungen hinsichtlich Bedeutung in den einzelnen Passagen aufzuzeigen.5353 Für die umfassendste Behandlung der Themen »Offenbarung« und »Inspiration« vgl. B. B. Warfield, „Revelation and Inspiration“. Warburton sagt in Bezug auf diese Lehren:
»Das Wort Gottes ist das große und letzte Gericht, vor das alle Streitfragen gebracht werden müssen und in dem sie geprüft werden müssen. Ob eine Lehre richtig oder falsch ist, erweist sich am Grad der Übereinstimmung mit den Aussagen der unfehlbaren und offenbarten Schrift, die uns Gott mit seinem inspirierten Wort gegeben hat. An diesem Kriterium muss der Calvinismus geprüft werden. An diesem Kriterium müssen auch Arminianismus und Pelagianismus geprüft werden. An diesem Kriterium — und an ihm allein — muss jede Art Glauben, sei er religiös oder wissenschaftlich, geprüft werden; wenn ein Lehrgebäude mit diesem geoffenbarten Wort nicht übereinstimmt, dann bedeutet es: es wohnt ihm kein Licht ein … Wir glauben an die volle Verbalinspiration des Wortes Gottes. Wir behaupten, dass es in allen Fragen letzte Autorität ist und versichern, dass keine Lehre der Wahrheit entsprechen kann und auch nicht wesentlich ist, wenn sie nicht in Gottes Wort gefunden werden kann.«5454 Warburton, „Calvinism“, S. 21.
Es ist offensichtlich: Die Wahrheit oder der Irrtum der Prädestinationslehre kann nur auf der Basis göttlicher Offenbarung geprüft werden. Keine einzelne Person, welche nur aufgrund eigener Beobachtung und Urteile handelt, kann die Basisprinzipien des Plans ergründen, den Gott verfolgt. Philosophische Mutmaßungen und abstrakte Vernünfteleien sollten in der Schwebe gehalten wer- den, bevor man nicht das genaue Zeugnis der Schrift vernommen hat. Wenn wir dieses Zeugnis nun in Betracht nehmen, so wollen wir uns auch demütig darunter beugen. Wir wünschten, es gäbe mehr Menschen mit der Einstellung jener Christen in Beröa, die täglich in der Schrift forschten, ob sich alles so verhält, wie man es an sie heranträgt.
Am Ende jener Lehre, die ich in diesem Buch erläutere, habe ich viele Zitate aus der Schrift zum direkten und indirekten Beweis der Lehre angeführt. Diese Beweise können nicht einfach wegerklärt werden; sie wiegen in Ausmaß und Genauigkeit sehr schwer gegen jede andere Ansicht. Die Bibel entfaltet ein System des Heilswegs, der von Anfang bis zum Ende calvinistisch ist; diese Lehren werden mit einer unausweichlichen Klarheit vorgetragen, so dass sie alle die angehen, die die Bibel für das Wort Gottes halten. Diese Lehren werden in eindrucksvoller Manier dargelegt. Wenn uns jemand fragt, ob es Sterne am Himmel gibt? so antworten wir: Der Himmel ist voller Sterne! (Ps 8,4). Wenn uns jemand fragt, ob das Meer auch Fische birgt? so antworten wir: Das Meer ist voller Fische! (Ps 104,25.27). Wenn uns jemand fragt, ob es im Wald Bäume gibt? so antworten wir: Der Wald steht voller Bäume! In der gleichen Weise sollten wir auch die Frage nach der Prädestination beantworten: Die Bibel setzt sie auf jeder Seite voraus, vom ersten Mosebuch bis zur Offenbarung!
Dass Lehren wie die der Dreieinigkeit, der Göttlichkeit Christi, der Persönlichkeit des Heiligen Geistes, der Sündhaftigkeit des Menschen oder der Realität zukünftiger Verdammnis der heiligen Schrift entnommen sind, wird auch von denen zugestanden, die nicht an diese Lehren glauben. Unter Rationalisten und in der so genannten „höheren Kritik“ ist es ausgemachte Sache, dass die Apostel die evangelischen und calvinistischen Artikel gelehrt und geglaubt haben und dass die Aussagen keine andere Interpretation zulassen, wenn man die Regeln der Auslegung korrekt anwendet. Freilich — der Autorität der Apostel sehen sie sich nicht unterworfen. Für sie ist der Glaube der Apostel an diese Lehren die irrige Idee eines kruden und unzivilisierten Zeitalters. Das entzieht jedoch ihrer Feststellung nicht den Wert, dass jene Passagen aus der Schrift, kritisch interpretiert, keinerlei andere Bedeutung haben können. Ich ziehe vor, die Rationalisten sagen zu lassen: Die Schriften lehren diese Lehren wohl, haben für uns jedoch keinerlei Autorität, als dass wir der Kraft der Argumente ausweichen und Akzeptanz heucheln müssten.
Es wird zu zeigen sein, dass jene Stellen, die die Arminianer gegen unsere Auffassung anführen, ohne jeden Zwang und ohne jede Umdeutung erklärt werden können, es jedoch unmöglich ist, ohne unverantwortliche Verbiegungen und Anstrengungen ihre Lehren mit den Passagen in Einklang zu bringen, die ich anführe. Außerdem kann unser System nicht dadurch zum Einsturz gebracht werden, dass man Stellen anführt, die dazu im Widerspruch stehen, denn dies würde die Bibel sich widersprechen lassen.5555 In der Tat werden für jene Stellen, die die Prädestination eindeutig postulieren, bemerkenswerte »Erklärungen« gefunden; bei den weniger bedarften Lesern der Schrift hilft man sich bei jenen Stellen mit dem »unausforschlichen Ratschluss« Gottes und »lässt diese Stellen lieber so stehen«. Dabei hat man sich eines amüsanten Eklektizismus bedient, ohne sich dessen gewahr geworden zu sein: All die Stellen nämlich, die das arminianische System zu stützen scheinen, werden großzügig erklärt, während jene wesentlich zahlreicheren Stellen, die von Vorherbestimmung und anderen spezifisch reformierten Gedanken reden, dem »unausforschlichen Ratschluss Gottes« überlassen werden (A. d. Ü.).
Im Licht moderner wissenschaftlicher Auslegung ist man sich einig, dass die Einwände, die gegen die reformierte Theologie vorgebracht werden, eher emotionaler oder philosophischer als exegetischer Natur sind. Cunningham merkt an:
»Unsere Gegner sind in der Lage, einigermaßen plausible Argumente vorzubringen, wenn es einzelne Schriftstellen oder eine bestimmte Art von Schriftstellen betrifft; sie lassen aber außer Acht oder drängen in den Hintergrund, was die Schrift als Ganze zu diesem Thema sagt. Wenn wir die Zusammenschau, das ganze Korpus der Schrift betrachten, das darauf ausgelegt ist, uns die Natur, die Ursachen und die Konsequenzen des Todes Christi bekannt zu machen, und wenn wir gerecht beurteilen, was sie uns lehren wollen, dann gibt es keinen guten Grund, an den allgemeinen Schlüssen zu zweifeln, die anzunehmen wir uns dann auch gezwungen fühlen sollten.«5656 William Cunningham, „Historical Theology“, Bd. 2, S. 298.
Solange wir an dem reformierten Prinzip festhalten, dass die Schrift alleinige Autorität in Sachen Lehre hat, ist das calvinistische System das einzige, das angemessen über Gott, den Menschen und die Erlösung spricht.
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