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Formulierung der Lehre
Das Westminster-Bekenntnis formuliert die Lehre der Reformation und der Presbyterianischen Kirche. Es ist damit die genaueste Formulierung der reformierten Glaubensgrundsätze. Hier lesen wir:
»Gott hat von aller Ewigkeit her nach dem höchst weisen und heiligen Ratschluss seines eigenen Willens frei und unabänderlich alles angeordnet, was auch immer sich ereignet; jedoch so, dass dadurch weder Gott der Urheber der Sünde ist, noch dem Willen der Geschöpfe Gewalt angetan wird, noch die Freiheit oder Zufälligkeit der zweiten Ursachen aufgehoben, sondern diese vielmehr in Kraft gesetzt werden.« Und weiter: »Obwohl Gott alles weiß, was unter allen vorauszusetzenden Bedingungen geschehen kann und mag, hat er doch nichts deshalb beschlossen, [nur] weil er es als zukünftig oder als etwas, das sich unter solchen Bedingungen ereignen würde, vorausgesehen hat.«88 Artikel 3.1 u. 3.2.
Diese Lehre von der Vorherbestimmung zeigt uns Gottes Absicht als absolute, bedingungslose und unabhängig von seiner Schöpfung bestehende Absicht, die einzig und allein in seinem souveränen Willen begründet ist. Sie sieht Gott als mächtigen und großen König, der den Weg seiner Schöpfung und auch den Weg der Geschichte selbst bis ins kleinste Detail vorgezeichnet hat.99 Dass Gott in der Lage ist, dies zu tun, muss der Arminianismus stets anzweifeln, weil er der Meinung ist, die Natur der Sache schließe eine solche Vorherbestimmung per se aus. Tatsächlich in der Natur der Sache liegt aber ganz im Gegenteil, dass die »Willensfreiheit« (im Sinne eines zufälligen, »arbiträren« und von nichts abhängenden Willens) nicht mit Gottes Souveränität zu vereinen ist (A. d. Ü.). Sein Beschluss ist ewig, unveränderlich, heilig, weise und souverän. Er erstreckt sich nicht nur auf jedes Detail der physischen Welt, sondern auch auf jedes Detail der Geschichte von der Schöpfung bis zum Gericht und umfasst alle Aktivität der Heiligen und der Engel im Himmel wie auch der Verdammten und Dämonen in der Hölle. Dieser Beschluss umfasst auch den ganzen Bereich der kreatürlichen Existenz durch Zeit und Ewigkeit und alle Dinge der Vergangenheit und Zukunft in allen Fällen, Bedingungen, Reihenfolgen und Beziehungen. Alles, was nicht Gott ist, ist in diesem Ratschluss inbegriffen: alle geschaffenen Wesen haben ihre Existenz allein aus seiner schöpferischen und erhaltenden Kraft.
Dieser Ratschluss bewirkt, dass alle Ereignisse diesem Beschluss folgen. Das läuft auf ein einziges, fernabliegendes göttliches Ereignis hinaus, das den gesamten Lauf der Schöpfung dirigiert. Da die endliche Schöpfung in ihrer Gesamtheit existiert, um Gottes Ehre zu manifestieren und da sie vollkommen von Ihm abhängt, kann sie nicht selbst irgendwelche Bedingungen erzeugen, die die Ehre Gottes schmälern könnten. Was Gott tut, das hat er von aller Ewigkeit her beschlossen zu tun. Er ist der souveräne Herrscher des Universums, und »er verfährt mit dem Heer des Himmels und mit denen, die auf Erden wohnen, wie er will, und es gibt niemand, der seiner Hand wehren oder zu ihm sagen dürfte: Was machst du?« (Dan 4, 32).
Da das Universum seinen Ursprung in Gott hat und sein Fortbestehen allein von ihm abhängt, muss es so sein, dass es in allen Teilen und zu allen Zeiten völlig unter seiner Kontrolle steht. Nichts könnte geschehen, das sich gegen diesen ausdrücklichen Beschluss oder Seine Erlaubnis richtete. So präsentiert sich uns dieser Beschluss als ewige Vorherbestimmung oder Prädestination, die von keinerlei Bedingungen in den Zeitläufen abhängig wäre. Auf dieser Grundlage beruht das Vorherwissen Gottes aller Dinge, und nicht etwa darauf, dass er irgendwelche Bedingungen und Ereignisse in der Zeit vorhersieht, die von seinen Geschöpfen in Gang gesetzt werden.
Die reformierten Theologen haben diese großen Prinzipien logisch und folgerichtig auf die Schöpfung und die Vorsehung angewandt, die später in den Westminster-Schriften ausformuliert worden sind. In jedem Ereignis der menschlichen Geschichte sahen sie die Hand Gottes, auch in allem, was in der Natur geschah: die Welt war die Realisierung eines ewigen Ideals. Sie wurde als Ganzes und in allen Teilen, Bewegungen und Veränderungen unter die Regierung und unter das alles durchdringende, alles harmonisierende Handeln des göttlichen Willens gebracht zu dem Zweck, Gottes Herrlichkeit zu zeigen. Die Auffassung der reformierten Theologen war die göttliche Ordnung der gesamten Geschichte bis ins kleinste Detail mit besonderer Berücksichtigung des menschlichen Heilswegs. Calvin, der brillante Systematiker der Reformation, hat das so ausgedrückt:
»Unter ›Vorbestimmung‹ verstehen wir Gottes ewige Anordnung, vermöge deren er bei sich beschloss, was nach seinem Willen aus jedem einzelnen Menschen werden sollte! Denn die Menschen werden nicht alle mit der gleichen Bestimmung erschaffen, sondern den einen wird das ewige Leben, den anderen die ewige Verdammnis vorher zugeordnet. Wie also nun der einzelne zu dem einen oder anderen Zweck geschaffen ist, so sagen wir, ist er zum Leben oder zum Tode ›vorbestimmt‹«.
Melanchthon, Calvins enger Freund und Mitarbeiter, sagte einmal:
»Alle Dinge erweisen sich als von Gott vorherbestimmt, nicht nur die Werke, die wir äußerlich tun, sondern auch unsere innersten Gedanken.«
Weiter sagte er:
»So etwas wie Zufall oder Glück gibt es nicht, auch gibt es keinen besseren Weg, zur Gottesfurcht zu gelangen und unser ganzes Vertrauen in ihn zu setzen, als wenn man die Vorherbestimmung ganz verstanden hat.«1010 keine Quellenangabe.
Die Ordnung ist des Himmels vornehmstes Gesetz. Vom göttlichen Standpunkt aus bleibt die Ordnung intakt — vom Anfang der Schöpfung bis zum Ende der Welt und dem Anbruch der Herrschaft des Himmels in seiner ganzen Herrlichkeit. Der göttliche Plan wird nie und nirgends auf irgendwelche Weise unterbrochen oder gestört. Was für uns wie eine Niederlage dieses Plans aussehen mag, ist nur Schein, denn unsere endliche und unvollkommene Natur erlaubt es uns nicht, das Ganze in den Teilen oder alle Teile des Ganzen zu sehen. Wenn wir nur einen Augenblick das mächtige Naturschauspiel und das komplexe Drama der menschlichen Geschichte in seiner Gesamtheit sehen könnten, dann sähen wir nichts als eine harmonische Einheit, die die Herrlichkeit des Herrn widerspiegelt.
»Obgleich die Welt aussieht, als regierte sie der Zufall«, sagt Bishop, »und obwohl es so aussieht, als seien die Umstände in wilder Unordnung zusammengewürfelt, sieht Gott doch die genauen Zusammenhänge aller Ursachen und Wirkungen und schafft mit diesen scheinbaren Misstönen und Missakkorden die schönste Ordnung. Es ist höchst notwendig, unsere Gedanken fest und unerschütterlich auf diese Wahrheit zu richten, so dass wir in jedem Fall, ob gut oder böse, Gottes mächtige Hand als letzten Grund dahinter erblicken können. Für Gott gibt es keine Zufälle und Ungewissheiten in der Welt. Wenn etwa ein Meister seinen Diener an einen bestimmten Ort schickt und ihn auffordert, dort zu warten, um ihm dann ohne dessen Wissen einen anderen Diener nachzusenden, so mag dieses Treffen in den Augen der Diener zwar zufällig scheinen, und doch ist es nichtsdestoweniger vom Meister vorherbestimmt. Uns erschiene ihr Zusammentreffen zufällig, nicht aber Gott. Er bestimmt die Wechselfälle des Lebens und sieht sie voraus.«1111 Zitiert aus Topladys Übersetzung von Zanchius’ „Predestination“.
Der Psalmist sagt: »Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde!« (Ps 8,2). Und der Prediger sagt: »Er hat alles vortrefflich gemacht zu seiner Zeit« (Pred 3,11). In der Vision, die der Prophet Jesaja sah, sangen die Seraphim: »Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen, die ganze Erde ist erfüllt von seiner Herrlichkeit!« (Jes 6,3). Wenn dies alles vom Blickwinkel Gottes aus betrachtet werden könnte, so würde man sehen, dass jedes Ereignis in der Geschichte der Menschheit zu allen Zeiten und in allen Nationen, ganz egal wie unscheinbar ein Ereignis auch scheinen mag, seinen exakten Platz in der Entwicklung seines ewigen Plans hat.
Die Ursachen der Geschichte üben einen zunehmenden Einfluss auf die Natur aus. Die Geschichte ist zur Schöpfung in ganz bestimmte Beziehung gesetzt und trägt ihren eigenen Teil zum perfekten Gleichklang der Weltordnung bei. Viele Beispiele könnte man aufzählen, deren große Wirkung auf »zufällige« und unbedeutende Kleinigkeiten zurückgeht, die von ihrer eigenen Zeit als Trivialitäten angesehen worden waren. Der Zusammenhang aller Ursachen und Wirkungen ist derart, dass das Fehlen auch nur einer einzigen Ursache alles Nachfolgende veränderte oder gar verhinderte. Daraus folgt die Gewissheit: Die göttliche Regierung beruht auf der Vorherbestimmung, sie erstreckt sich auf alle Dinge, ob groß oder klein. Genau gesagt, ist kein einziges Ding klein; jedes hat seinen exakten Platz im göttlichen Plan, nur erscheint das eine größer zu sein als das andere. Der Lauf der Geschichte ist freilich unendlich komplex, und doch ist er aus Gottes Sicht nichts weniger als eine Einheit. Diese Wahrheit mit all ihren Begründungen ist wunderschön und wird im Kleinen [Westminster-]Katechismus dargelegt:
»Die Ratschlüsse Gottes sind seine ewige Absicht entsprechend dem Rat seines Willens, wodurch er zu seiner eigenen Ehre vorherbestimmt hat, was immer passieren soll.«1212 Kleiner Westminster-Katechismus, Frage 7.
Dr . Abraham Kuyper, einer der herausragendsten calvinistischen Theologen der letzten Jahre, hat uns mit folgender Aussage einen wertvollen Gedanken vermittelt:
»Die Existenzbestimmung aller existierenden Dinge, die geschaffen werden sollten: Was zur Kamelie wird, was Butterblume, Nachtigall oder Krähe, Hirsch oder Schwein, und genauso unter den Menschen, die Vorherbestimmung, was wir sein werden: Junge oder Mädchen, reich oder arm, dumm oder klug, weiß oder schwarz, ja, sogar ob Abel oder Kain — diese Vorherbestimmung ist das gewaltigste Anschauungsbeispiel im Himmel und auf Erden, das man sich denken kann; wir können diese Dinge jeden Tag sehen, wir sind selbst dieser Vorherbestimmung in all unseren persönlichen Eigenheiten unterworfen; unsere gesamte Existenz, unsere ganze Natur, ja, unser ganzes Leben hängt von ihr ab. Diese allumfassende Prädestination, so lehrt der Calvinismus, liegt nicht in den Händen der Menschen und noch weniger in den Naturkräften begründet, sondern in der Hand des allmächtigen Gottes, des souveränen Schöpfers und Eigentümers Himmels und der Erde. Anhand des Beispiels von Töpfer und Ton hat die Schrift uns diese alles beherrschende Bestimmung schon zur Zeit der Propheten verkündet. Es ist Erwählung in Schöpfung, in Vorsehung und auch in Bezug auf das ewige Leben; es ist Erwählung im Reich der Gnade und im Reich der Natur.«1313 Abraham Kuyper, Lectures on Calvinism“, S. 272.
Wir können diese Weltordnung nicht angemessen würdigen, wenn wir sie nicht als ein durchgängiges und mächtiges System sehen, durch welches Gott seine Pläne verwirklicht. Calvins klarer und logischer Theismus gab ihm einen scharfen Sinn für die unendliche Majestät des Allmächtigen, in dessen Händen alle Dinge liegen. Sie haben ihn zu einem ausgeprägten Vertreter der Prädestinationslehre gemacht. Erst die Lehre von den unbedingten und ewigen Zwecken des allwissenden und allmächtigen Gottes ließ ihn den Lauf der Geschichte vom Sündenfall und der Erlösung der menschlichen Rasse verstehen. Mutig, aber ehrerbietig wagte er sich an jenen Abgrund der Spekulation heran, wo alles menschliche Wissen sich in Mysterium und Anbetung verlieren muss.
Der reformierte Glaube zeigt uns daher einen großartigen Gott, der wirklich der souveräne Herrscher des Universums ist.1414 Ein Gott, der erst noch auf den »freien« (besser: neutralen) Willen seiner Geschöpfe Rücksicht nehmen müsste, wäre kein souveräner Herrscher. Ständig müsste er in ein System milliardenfacher Interventionen seiner Geschöpfe eingreifen, um die Welt nicht entgleisen zu lassen, da er jedes mal auf jede »freie« Willenshandlung reagieren müsste — wahrlich eine seltsame Vorstellung (A. d. Ü.).
»Das gewaltige Prinzip dieses Glaubens«, sagt Bayne, »ist die Betrachtung des Universums, wie es Gott in Christus offenbart hat. An jedem Ort und zu jeder Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit sieht der Calvinismus Gott.«1515 keine Quellenangabe.
Unser Zeitalter mit seiner Betonung auf der Demokratie findet wenig Gefallen an dieser Sichtweise, und vielleicht fand kein anderes Zeitalter weniger Gefallen daran als dieses. Man tendiert heute dazu, den Menschen zu erhöhen; Gott bleibt nur mehr, eine subalterne Rolle in den Wechselfällen dieser Welt zu spielen. Es ist, wie Dr. A. A. Hodge gesagt hat:
»Die neue Theologie, die uns versichert, wie begrenzt doch die ›alte‹ sei, verwirft die Vorherbestimmung Jahwes als eine abgegriffene Phantasievorstellung der Universitäten, die von der fortschrittlichen Kultur unserer Zeit überholt ist. Das ist nicht das erste Mal, dass die Eulen eine vorübergehende Verfinsterung für das natürliche Licht halten und wie die unreifen Adler schreien, weil sie davon überzeugt sind: Was wir nicht sehen können, das existiert auch nicht.«1616 keine Quellenangabe.
Dies ist im Allgemeinen die grobe Konzeption der Prädestination, wie sie die namhaften Theologen der Presbyterianischen Kirche und der Reformation geglaubt haben.
Die Schrift äußert sich nachdrücklich zur Vorherbestimmung:
Apg 4,27f: Ja, wahrhaftig, gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, haben sich Herodes und Pontius Pilatus versammelt zusammen mit den Heiden und dem Volk Israel, um zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss vorher bestimmt hatte, dass es geschehen sollte.
Eph 1,5: Er hat uns vorherbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens.
Eph 1,11: … in ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben, die wir vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens …
Röm 8,29f: Denn die er vorher ersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, die er aber berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht.
1 Kor 2,7: … sondern wir reden Gottes Weisheit im Geheimnis, die verborgene, die Gott vor den Weltzeiten zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmt hat.
Apg 2,23: … diesen, der nach Gottes festgesetztem Ratschluss und Vorsehung dahingegeben worden war, habt ihr genommen und durch die Hände der Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und getötet.
Apg 13,48: Als die Heiden das hörten, wurden sie froh und priesen das Wort des Herrn, und es wurden alle die gläubig, die zum ewigen Leben bestimmt waren.
Eph 2,10: Den wir sind seine Schöpfung, erschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott vorher bereitet hat, damit wir sie ausführen sollen.
Röm 9,23: … damit er auch den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit erzeige, die er vorher zur Herrlichkeit bereitet hat.
Psalm 139,16: Deine Augen sahen mich schon als ungeformten Keim, und in dein Buch waren geschrieben alle Tage, die noch werden sollten, als noch keiner von ihnen war.
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